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Islamische Traditionen auf Deutsch

■  Duisburger Modellversuch: Um keine Schwierigkeiten mit islamistischen Gruppen zu bekommen, wird Islamkunde als eigenständiges Fach angeboten – auf Deutsch

Duisburg (taz) – Der Duisburger Schuldezernent Gerd Bildau verspricht sich viel von dem Islamkunde-Modellversuch, der gestern an sieben Duisburger Schulen begonnen hat: Damit würde die Akzeptanz islamischen Lebens ebenso erhöht wie die Integrationsbereitschaft gefördert, glaubt Bildau. Zudem werde „die Andersartigkeit des Islam als Wirklichkeit, als Glaube und Glaubenspraxis ausdrücklich anerkannt“, erklärte er. Der Schuldezernent erhofft, dass das Fach „einen Beitrag dazu leistet, dass für immer mehr Muslime mit deutschem Pass ein eigenständiger deutscher Islam auch institutionell gefördert wird“.

37 Schulen beteiligen sich in NRW an der Erprobung des in deutscher Sprache unterrichteten Fachs „Islamische Unterweisung“, die mindestens sechs Jahre dauern soll. Laut Schulministerin Gabriele Behler sollen mit dem neuen Fach „islamische Traditionen in ihrer Geschichte, Ethik und Religion“ vermittelt werden.

Bereits seit 1986 können muslimische Schüler in NRW im Rahmen des „muttersprachlichen Ergänzungsunterrichts“ an einer „islamkundlichen Unterweisung“ teilnehmen. Zwei von fünf Wochenstunden sind hierfür veranschlagt. Der Unterricht erfolgt in der Regel auf Türkisch. Doch auf große Resonanz stößt das Angebot nicht: Nur 11.000 von 240.000 junge Muslimen nutzen es. Der Zentralrat der Muslime hält denn auch dieses Modell für „praktisch gescheitert“. Ebenso wie der andere größere islamische Spitzenverband, der Islamrat, fordert der Zentralrat die Einführung eines regulären islamischen Religionsunterrichts. Die beiden Verbände haben gemeinsam einen „Lehrplan für den islamischen Religionsunterricht“ erarbeitet.

Der Haken: Für die inhaltliche Gestaltung von Religionsunterricht ist laut Landesverfassung die jeweilige Glaubensgemeinschaft unter Aufsicht der Regierung zuständig. Noch gibt es auf islamischer Seite keine den christlichen Kirchen entsprechende Zentralinstanz. Allerdings ringen zahlreiche islamische Verbände um die Anerkennung als Glaubensgemeinschaft – unter ihnen die vom Verfassungsschutz überwachte islamistische Gemeinschaft Milli Görüs, die den Islamrat dominiert. Auch der Zentralrat hat Mitgliedsorganisationen, die vom Landesamt für Verfassungsschutz als „integrationsfeindlich und fundamentalistisch“ eingestuft werden.

Um islamistischen Organisationen keine Möglichkeit der Einflussnahme zu geben, hat sich das NRW-Schulministerium für einen anderen Weg entschieden. Es will mit seinem nun gestarteten Versuch testen, unter welchen Voraussetzungen die „islamkundliche Unterweisung“ als eigenständiges Fach eingerichtet werden kann. Da es sich bei dem Modell nicht um Religionsunterricht, sondern um „Islamkunde“ handele, brauche das Land keine inhaltliche Zustimmung islamischer Religionsgemeinschaften. Die Unterrichtsgestaltung obliegt dem Landesinstitut für Schule und Weiterbildung in Soest. Unterrichtet wird auf Deutsch.

P. Beucker/M. Meier

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