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Der Tross bleibt in Bonn hängen“

■ Immerhin 401 Verbände sind mit ihren Lobbyisten am Rhein geblieben, nur 114 haben nun mehr als einen Koffer in Berlin. Macht nichts: Die effektivsten Interessenvertreter sind schon im Parlament

„Das Parlament kann nun einmal keine Versammlung von lauter Engeln sein“, erklärte ein Abgeordneter

Ursula Beck hat sie alle in der Hand. Sie arbeitet im Archiv des Bundestags im Bonn und muss die Verbände registrieren, die sich auf der so genannten Lobbyliste des Parlaments anmelden. Die „Öffentliche Liste über die Registrierung von Verbänden und ihren Vertretern“ wird einmal im Jahr vom Parlament herausgegeben. Sie ist eine Arbeitshilfe für die Politiker. Vorteile für die Verbände außer einen Gewinn an Seriosität hat sie nicht. Die Liste umfasst im Augenblick genau 1.695 Organisationen – vor 25 Jahren waren es gerade mal 635. Der Lobbyismus boomt also – und mit der Frage, ob er überhaupt erlaubt sei, kann die rege Beamtin gar nichts anfangen: „Natürlich“, bescheidet sie knapp.

Seit es Parlamente gibt, antichambrieren Lobbyisten in der Nähe der Macht – das Wort „Lobbyist“ stammt aus dem englischen Parlament, wo er schon im vergangenen Jahrhundert in der Wandelhalle des Unterhauses Abgeordnete abfing. Laut Brockhaus gibt es Lobbyismus in allen politischen System – problematisch aber sei er, wenn die Stärke einer legislativen Bestimmung ein Reflex des Einflusses des gesellschaftlich Stärkeren werde: So werde „die legitimatorische Begründung von Staat und Politik erschüttert“.

Die Amerikaner jedenfalls, die sogar in ihrer Verfassung eine Quasirechtsgrundlage für den Lobbyismus vorgesehen haben, schränkten schon 1946 auf Bundesebene die Lobbyarbeit ein: Lobbyisten müssen sich beim Parlament anmelden, die Überweisungen von Verbänden an sie berichten und Ausgaben für diese Organisationen mitteilen – wenn auch mit mehr als unklaren Erfolg.

Im Deutschen Bundestag hat man eine ähnliche Regelung erst 1972 eingeführt – mit der sarkastischen Bermerkung eines Abgeordneten in der Debatte, man müsse gar nicht aufs Churchills Diktum verweisen für die Einsicht, „dass ein Parlament nun einmal keine Versammlung von lauter Engeln sein kann“. Die Volksvertreter müssen seit dem ihre Mitgliedschaft in Unternehmen oder Vereinen im „Amtlichen Handbuch“ des Parlaments offen legen. Denn die Lobbyisten wirken schon dort, als normale Abgeordnete: Aufsichtsrats- und Beiratsposten in Verbänden oder Firmen sichern bei vielen, denen ihre Diäten noch nicht reichen, die Einkünfte. Und selbst ehrenamtliche Tätigkeiten werden durch teilweise üppige Aufwandsentschädigungen ordentlich vergütet. Deshalb die kluge Bestimmung der Legislative: Es müsse wenigstens offen sein, wer für wen arbeitet.

Unrealistisch ist deshalb die Hoffnung, dass der Einfluss der Lobbyisten durch den Wechsel mit der Regierung nach Berlin kleiner werden könnte, obwohl genau 401 Verbände in Bonn geblieben sind. Vom Rhein an die Spree sind 114 gegangen, immerhin 66 weitere, die nie in Bonn waren, haben heute in der neuen Hauptstadt ein Büro. Viele Kontakte werden durch den Ortswechsel verloren gehen, denn so mancher Beamter bleibt im Rheinland – das macht die Arbeit im neuen Regierungsviertel schwieriger.

Und: Wer als Verband nicht groß genug ist, kann sich einfach die Möbelpackerei nicht leisten – werden deshalb die großen Verbände noch wichtiger? „Der Tross bleibt in Bonn hängen“, meint ein langjähriger Lobbyist: Und bei aller Liebe für einfache Beamte: Mit einem Oberinspektor im Ministerium kann selbst ein Lobbyist nichts anfangen. Philipp Gessler

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