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Steinmetz kritisiert polizeiliche Ermittlungen
Von dem „Engagement“ der Polizei konnte sich der Steinmetz Otmar Kagerer ein eigenes Bild machen. In der Firma des 57-Jährigen, der nach der Schändung des Jüdischen Friedhofs in Weißensee mit den Reparaturarbeiten begonnen hatte, gingen vier Drohanrufe ein. Man werde ihn umbringen, wenn er weiterhin Grabsteine repariere, hieß es. Elf Tage lang überwachten Mitarbeiter des Staatsschutzes seine Firma. Da keine weiteren Anrufe eingingen, wurden die Männer abgezogen. Sechs Wochen später zerstörten Unbekannte in Kageres Lager 150 Grabsteine. Der Schaden, für den keine Versicherung aufkommt, beläuft sich auf 80.000 Mark. Eine Pressemitteilung gab die Polizei nicht heraus. „Es ist nicht Sache der Polizei, sich zu allem zu äußern“, sagt der stellvertretende Staatsschutzleiter Stephan Schlange-Schöninger.
Nach der Verwüstung am 19. November, einem Freitag, gegen 19.45 Uhr alarmierten Nachbarn die Polizei. Die informierte jedoch nicht den Steinmetzen. Die Beamten hinterließen nur im Firmenbriefkasten eine Abschrift des Protokolls und den Hinweis, er solle am Montag anrufen. Als Kagerer dies tat, erfuhr er, dass der Vorgang noch nicht im Computer gespeichert sei und erst am Mittwoch einem Sachbearbeiter zugeordnet werde. Obwohl der Staatsschutz betont, dass in derlei Fällen immer Fotos oder Videos vom Tatort gemacht würden, war auch am dritten Tag nach der Tat keinerlei Spurensicherung erfolgt.
Da Kagerer das Gefühl hatte, der Vorfall werde nicht mit Nachdruck bearbeitet, rief er beim Staatsschutz den Mitarbeiter an, der ihn wegen der Drohanrufe betreut hatte. Wenige Stunden später waren zwei Beamte vor Ort. Statt mit der Beweissicherung zu beginnen, baten sie den Steinmetzen um Verschwiegenheit gegenüber der Presse. Man stehe kurz vor einem Zugriff, was die Drohanrufe angehe. An Kagerers Anliegen – gerichtstauglichen Fotos für eine Schadenersatzklage – zeigten die Beamten wenig Interesse. „Mir wurde gesagt, ich solle Fotos machen“, so Kagerer. 14 Tage später kam erneut der Staatsschutz und bat um Verschwiegenheit, denn man würde „unter Volldampf“ ermitteln. Kagerer kann das nicht so recht glauben. „Ich hatte das Gefühl, die Sache ist ad acta gelegt.“B. Bollwahn de Paez CasanovaDie Berliner Amadeu Antonio Stiftung hat auf einem Spendenkonto für den Steinmetzen mittlerweile über 22.000 Mark gesammelt. Infos über die Stiftung unter Tel. (0 30) 28 39 05 43. Spenden an FGM, Deutsche Bank Heppenheim, Kto.-Nr. 034059627, BLZ 509 700 04, Stichwort „Steinmetz“
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