: „Buberlpartie mit einer Königskobra“
Vizekanzlerin in Österreichs Kabinett ist erstmals eine Frau, die „Königskobra“. Ihr zur Seite stehen die jungen Haider-Gefolgsleute aus der „Buberlpartie“. Große Rechtsaußen blieben draußen ■ Aus Wien Ralf Leonhard
Bemerkenswert an der neuen österreichischen Regierung, die gestern Mittag von Bundespräsident Klestil mit steinerner Miene vereidigt wurde, sind nicht nur die neuen Gesichter, sondern auch die Personen, die draußen bleiben müssen. Klestil hatte von seinem Recht Gebrauch gemacht, die Ministerliste zu korrigieren und die Namen Thomas Prinzhorn und Hilmar Kabas zu streichen. Prinzhorn, ein milliardenschwerer Papierindustrieller, der von Haider als Zugpferd für den Nationalratswahlkampf den ersten Listenplatz bekam, gilt als dickköpfiger Hardliner, der sich der Haiderschen Rhetorik angepasst hat. Die „verbale Entgleisung“, die ihn für Klestil als Infrastrukturminister disqualifizierte, war ein in der deutschen Presse kolportiertes Zitat, wonach Ausländer in Österreich mit Hormonpräparaten gefüttert würden, damit sie mehr Kinder bekommen. Der Wiener FPÖ-Chef Hilmar Kabas, den Haider gerne als Verteidigungsminister gesehen hätte, ist für den Bundespräsidenten untragbar, weil er einen besonders aggressiven Wahlkampf gegen Ausländer führte. Mit starken Sprüchen über Schwarzafrikaner in der Drogenszene zeigt er, dass die infamen Plakate gegen Asylbewerber kein Ausrutscher waren.
Offenbar hatte Haider mit dem Eingriff in seine Liste gerechnet, denn er holte unverzüglich zwei Leute von der Ersatzbank.
Als Minister für Landesverteidigung und damit als Wegbereiter für den Eintritt in die Nato wird der 36-jährige Reserveoffizier Herbert Scheibner fungieren. In der „Buberlpartie“, der Gruppe von jungen Gefolgsleuten Haiders, wo Generalsekretär Peter Westenthaler den Ton angab, war Scheibner nicht aggressiv genug. Erst als die FPÖ vom polternden Oppositionskurs abschwenkte, um Regierungsfähigkeit zu beweisen, trat er als Ersatz für Klubchef Ewald Stadler ins Rampenlicht.
Das neu gegründete Infrastrukturministerium, in dem die Ressorts Kommunikation, Verkehr und Forschung zusammengelegt werden, übernahm der steierische FPÖ-Landesrat für Wohnbau, Michael Schmid, der noch am 29. Januar über seinen neuen Regierungschef sagte: „Schüssel ist unser Feindbild.“ Er gilt als ebenso getreuer Gefolgsmann Haiders wie der neue Justizminister Michael Krüger. Der Linzer Rechtsanwalt hat sich als Experte für Verwaltungs- und Verfassungsrecht profiliert, fungierte aber zuletzt als Kultursprecher seiner Partei.
Vizekanzler ist erstmals eine Frau, nämlich Haiders Stellvertreterin Susanne Riess-Passer, die sich als Pressesprecherin 1987 in der Partei hinaufgearbeitet hat. Ihr wenig zartfühlender Umgang mit parteiinternen Rivalen und Dissidenten gegen Haiders Linie hat ihr den Namen „Königskobra“ eingetragen. Sie soll sich nach Auflösung des Frauenministeriums auch um Frauenfragen kümmern.
Die blaue Riege komplettiert der jüngste Finanzminister der österreichischen Geschichte, der 31-jährige ehemalige Kärntner Vizelandeshauptmann Karl-Heinz Grasser. Er wurde schon 1992 von Haider als parlamentarischer Mitarbeiter angeworben und von der „Buberlpartie“ aufgenommen.
Nach einem zweijährigen Bruch mit der Partei machte er Karriere in der Privatwirtschaft. Vor kurzem holte ihn Haider zurück. Nach Klestils Veto hat Haider auf Extremisten verzichtet. Da die meisten ihm treu ergeben sind, dürfte der Parteichef von Kärnten aus kräftig mitregieren. Auf Seiten der ÖVP gibt es nur ein neues Gesicht: den bundespolitisch bisher nicht in Erscheinung getretenen Innenminister Ernst Strasser, 43. Er führte sieben Jahre lang die Geschäfte der ÖVP in Niederösterreich. Benita Ferrero Waldner, bisher Staatssekretärin für Entwicklungszusammenarbeit, ersetzt Wolfgang Schüssel als Außenminister. Für den SPÖ-Klubchef Peter Kostelka wird sie „Selbstverteidigungsministerin in den europäischen Räten“ spielen müssen.
Kommentar Seite 12
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