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Biosupermärkte für Normalos

Die herkömmlichen Einzelhandelskonzerne im In- und Ausland wittern den boomenden Markt mit der Nicht-Öko-Kundschaft ■ Aus Nürnberg Danièle Weber

„Geld regiert die Welt, auch die Umwelt: Zu viel Esoterik und zu viel Müsli-Image schreckt die ‚guten‘ Kunden ab“

Wer in Deutschland öko-korrekt einkaufen will, begibt sich immer noch am liebsten in den Bioladen. Ganz anders ist das zum Beispiel in Großbritannien, Österreich oder in den skandinavischen Ländern. Hier geht der überwiegende Teil der Bioprodukte im konventionellen Lebensmittelhandel über die Ladentheke, so eine Studie zum europäischen Biomarkt der Universität Hohenheim in Stuttgart. Auf der „Biofach 2000“, der Fachmesse für Naturwaren und Naturprodukte in Nürnberg, wurde daraus am Wochenede folgendes Fazit für den deutschen Ökomarkt gezogen: Gäbe es mehr und billigere Bioprodukte in Supermärkten, könnte der hiesige Markt schneller wachsen.

Zudem belegen andere Studien, dass die Nachfrage größer ist als das aktuelle Angebot. Das haben inzwischen auch die „Konventionellen“ der Lebensmittelbranche herausbekommen: Vor wenigen Monaten sprang die derzeit marktführende Handelskette Edeka auf den Ökozug und bietet in ihren Läden unter der Marke „BioWertkost“ Ökoprodukte an. Rewe, die Nummer 2 am Markt, kreierte vor einigen Jahren die eigene Marke „Füllhorn“, Tengelmann stellte die „Naturkind“-Palette zusammen und Metro entwickelte das Biolabel „Grünes Land“.

Dass „Bio“ in konventionellen Konsumtempeln ein echter Hit sein kann, macht die Schweizer Handelskette Coop bereits seit sieben Jahren vor. „Die hauseigene Marke ‚Coop Naturaplan‘ ist eindeutig Wachstumsträger“, versichert Kathrin Rapp von Coop. Allein mit Bioprodukten macht Coop einen Umsatz von über 100 Millionen Mark. 40 Prozent des Umsatzzuwachses im vergangenen Jahr kamen durch die Bioprodukte.

Auch in Großbritannien macht Bio im Supermarkt Furore: Seit 15 Jahren ist in den rund 400 „Sainsburys Supermarkets“ eine Öko-Ecke eingerichtet. „Die Umsätze verdoppeln sich jedes Jahr“, sagt Robert Duxbury von Sainsburys.

In Deutschland rollt indessen eine neue Welle an: Allein im letzten Jahr haben fast 20 reine Biosupermärkte ihre Türen geöffnet. „Viele Leute wollen ökologisch einkaufen, kommen aber nicht an die Produkte ran“, behauptet Georg Schweisfurth. Mit „Basic“ betreibt er seit 16 Monaten in München den bislang größten Biosupermarkt. Auf 7.500 Quadratmetern Verkaufsfläche werden ausschließlich Ökoprodukte angeboten. Schweisfurth setzt dabei bewusst auf Supermarkt-Atmosphäre: „Mir ist es lieber, mein Laden wird als Bio-Aldi bezeichnet denn als Naturkostladen.“

Zu den großen der Ökosupermarktszene gehört die im süddeutschen Raum aktive Vertriebsgesellschaft Alnatura. In ihren acht „Super-Natur-Märkten“ wird auf bis zu 500 Quadratmetern ein 6.800 Artikel starkes Ökowarensortiment angeboten. „Wir fischen nicht in der traditionell gut versorgten Ökokundschaft“, erklärt Marketingchef Stefan Schmidt. Von Anfang an setzte man bei Alnatura auf die konventionelle Kundschaft. Und es klappte: Eine Umfrage ergab, dass rund 70 Prozent der KundInnen Neueinsteiger in Sachen Ökoprodukte sind.

Auf ein anderes Image setzen die Ökokaufhäuser mit ihrem breit gefächerten Warenangebot. Ein Vorreiter ist das Ökozentrum Rommelmühle, das vor anderthalb Jahren in der Nähe von Stuttgart eröffnete. Auf der Biofach gab Geschäftsführer Hans Kahlau Nachhilfe für Zentrumsplaner: „Zu viel Esoterik und zu viel Müsli-Image schreckt die ‚guten‘ Kunden ab“, mahnte er. Wer Erfolg mit einem Großprojekt haben will, brauche „die Kundschaft der neuen Mitte mit höherem Einkommen und Bildungsniveau“, nicht etwa den traditionellen Ökokunden.

„Geld regiert die Welt, auch die Umwelt“, so Kahlau. Ein Grundsatz, den man vor kurzem im Umkreis der Rommelmühle am eigenen Leib erfuhr: Archy Nova Planen und Bauen GmbH, ein renommiertes Ökobauunternehmen und Bauträger auch des Ökozentrums, musste Konkurs anmelden. Damit verabschiedete sich auch der geistige Vater der Rommelmühle und Geschäftsführer von Archy Nova, der Architekt Erhard Wächter, von dem Projekt.

„Vieles ist nicht so einfach wie anfangs gedacht“, kommentiert Peter Moll vom Wuppertaler Clearing house für nachhaltiges Wirtschaften die aktuelle Lage, „doch es geht weiter.“ Konkret in Planung sind in Deutschland zurzeit Ökokaufhäuser an zehn verschiedenen Standorten. „Ein Ökokaufhaus-Projekt ist weiterhin harte Pionierarbeit“, sagt Hans Kahlau, „in der Rommelmühle wird es in den nächsten zwei Jahren um die Standortsicherung gehen.“

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