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Verhaltenes Interesse am Islamunterricht

taz-Umfrage ergibt: Eltern fragen nicht nach künftigem Angebot. Lehrer wundern sich

Das Interesse türkischer und arabischer Eltern am islamischen Religionsunterricht ist bisher nicht besonders hoch. Das ergab eine Umfrage der taz an fünf Grundschulen in Kreuzberg und Neukölln. Seit dem Bundverwaltungsgerichtsurteil vergangene Woche, wonach die Islamische Föderation jetzt Religionsunterricht anbieten darf, gab es jedenfalls noch keine Anfragen von Eltern, ob und wann der Unterricht stattfindet.

„Mich wundert das sehr“, sagt Gerlinde Hohnhäuser, Schulleiterin der E.-O.-Plauen-Grundschule in der Manteuffelstraße. Immerhin seien rund 90 Prozent der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache, darunter ein großer Teil Muslime. Auch in der Heinrich-Zille-Grundschule am Lausitzer Platz hat es noch keine Nachfragen gegeben.

Die Islamische Föderation geht davon aus, dass ihre Organisation nach den Sommerferien in fünf bis sechs Grundschulen Unterricht anbieten wird. Burhan Kesici, Verwaltungsratsvorsitzender der Islamischen Föderation, sagte, dass es noch keine Gespräche mit den SchulleiterInnen gegeben habe und deshalb der Bedarf noch nicht ermittelt worden sei. Erst müssten die Rahmenpläne von der Schulverwaltung genehmigt werden.

Der Schulleiter der Nürtingen-Grundschule, Gerd-Jürgen Busack glaubt, dass das Interesse auch in den nächsten Monaten nicht sehr steigen werde. Viele Eltern muslimischen Glaubens schickten ihre Kinder in den Lebenskundeunterricht, den die Schule anbietet und der sich großer Beliebtheit erfreue.

Die Themen „Wertevermittlung, Familie und Freundschaft“, die in dem Fach unterrichtet werden, würde viele türkische Eltern ansprechen. Gerd-Jürgen Busack schätzt die türkischen und arabischen Kinder an seiner Schule als nicht besonders religiös ein. „Es gibt sehr wenig Mädchen an der Schule, die ein Kopftuch tragen“, sagt er. „Das ist vielleicht ein Gradmesser.“

Ein Grund für das Desintersse könnte auch der muttersprachliche Ergänzungsunterricht sein, der an 102 Schulen in Verantwortung des türkischen Konsulats angeboten wird. Dort sind islamkundliche Elemente enthalten.

Wenn es an einer Schule genügend Interessierte für Islamunterricht gibt, ist die Schulleitung verpflichtet, Räume zur Verfügung zu stellen. Als problematisch könnte sich auch die Intergration in den Stundenplan erweisen. „Das wird ziemlich kompliziert“, befürchtet Inge Hirschmann von der Heinrich-Zille-Schule. Die Schulleiterin fände es besser, wenn es eine „grundsätzliche Regelung für alle Schüler“ geben würde.

Julia Naumann

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