: Yoga-Klänge im Klassenzimmer
In Bremens Schulen hält Yoga Einzug: Atem- und Entspannungs-Übungen sollen Schulstress abbauen / Ganz neu im Angebot: Spezielle Yoga-Kurse für LehrerInnen, um in der Schule Verspannungen zu lösen
Seltsame Klänge schwirren durch die Grundschule am Ellenerbrokweg. Gegen 11.30 Uhr ertönt eine Klangschale im Klassenzimmer von Grundschullehrerin Barbara Meinass. 26 Grundschulkinder stehen auf, wiegen langsam vor und zurück mit ihren Fußsohlen wie ein in der Erde verwurzelter Baum. ,Wurzelübung“ nennt sich das kurze Zwischenspiel, das für den restlichen Tag neuen Stand geben soll: Die Atem- und Entspannungstechnik Yoga hält Einzug in Bremens Schulen, um gestressten Schülern wieder etwas Ruhe einzuhauchen.
Fast 30 LehrerInnen konnte das Bremer Yoga Zentrum Delbrückstraße schon von dieser neuen Idee überzeugen. Sie alle besuchten die neuen Kurse „Yoga in der Schule“, die Zentrums-Gründer Robert Wahsner mit Yoga-Lehrer Armin Goltz als neues spezielles Kursangebot anbietet, um an Schulen für Entspannung zu sorgen. Auslöser dafür waren Erzählungen befreundeter Lehrer über den „vielen Stress an der Schule. Da dachten wir: Yoga ist die ideale Möglichkeit, um dagegen etwas zu tun.“
Eine Idee, die anschlug: Mittlerweile wagen sich die ersten KursabsolventInnen nach ausführlicher Yoga-Einführung und dem Einüben spezieller Yoga-Übungen für Kinder schon mit einigen Übungen in die Schule: In der Grundschule am Ellenerbrokweg kam mittags nach etlichen Stunden und Lehrerwechsel schon mal die Wurzelübung zum Zug. Im Delmenhorster Max- Planck-Gymnasium entspannen die SchülerInnen vor Klassenarbeiten, während die Siebtklässler alle jeweils zum Schulstart erst mal eine Woche aufs Land fahren. Dort wird dann gezielt lernen „gelernt“. Mit auf dem Programm steht dabei: Entspannung durch Yoga.
Das neue Angebot bewährte sich bereits im In- und Ausland: Dort reagierten viele Schulen schon auf den zunehmend drückenden Leistungs- und Alltagsstress, berichtet Robert Wahsner vom Yoga Zentrum Delbrückstraße e.V. - und starteten ebenfalls Yoga-Angebote begleitet von Untersuchungen. Ein Sportpsychologe aus Greifswald zum Beispiel entwickelte spezielle Gesundheitswochen für SchülerInnen. Das Ergebnis: „Der Stress ging zurück, die Schüler wurden ausgeglichen und ruhiger.“ Eine Erfahrung, die die Bremer LehrerInnen auch machten - als erstes per Selbsterfahrung durch das Besuchen des Yoga-Seminars. „Seit ich Yoga mache, trete ich viel ruhiger und konzentrierter vor die Klasse“, sagt eine Lehrerin vom Delmenhorster Gymnasium, „da bringt mich nichts mehr so schnell durcheinander.“
Yoga nämlich bringt viel mehr als nur Entspannung, erklärt Yoga-Lehrer Armin Goltz den Lehrerinnen, die sich im Zentrum zum Yoga-Kurs auf ihre Matten gesetzt haben. Yoga kann vieles: wach und konzentriert machen bei Schlaffheit und Müdigkeit. Oder ruhig machen bei Stress und Rastlosigkeit.
Möglich wird das durch das beim Yoga übliche bewusste Atmen, während man verschiedene Körperbewegungen macht. „So konzentriert man sich ganz auf sich selbst, ruht mehr in sich und kommt so mehr und mehr zu sich“, erklärt Yoga-Lehrer Armin Goltz.
Perfekt also, um zum Beispiel bei rastlosen SchülerInnen per „Wurzelübung“ mit den Fußsohlen hin- und herzuwanken, die Füße am Boden zu spüren und so ,wieder eine stabile Basis und Festigkeit zu fühlen, wo vorher nur tausend rastlose Gedanken waren.“ Schwierige Yoga-Verrenkungen sind also gar nicht nötig. Es reichen einfache Übungen im Stehen oder Sitzen. „Anders ginge es auch gar nicht in der Schule“, sagt Grundschullehrerin Barbara Meinass, „wir können ja nicht mal eben in der Schule schnell Matten auf den Boden legen“.
Auch wenn das gar nicht so schlecht wäre, findet die Lehrerin. Denn eigentlich bräuchte man richtige Yoga-Stunden in der Schule und so vor allem kleinere Klassen und mehr Zeit. Denn ab und zu mal ein paar Übungen in einer viel zu großen Klasse - „das klappt dann mal mit der guten Atmosphäre - und dann eben auch wieder nicht.“
Starke Lobbyarbeit will das Yoga-Zentrum deshalb weiter machen: Nach den Sommerferien ist ein neuer Kurs „Yoga in der Schule“ geplant. Und Zentrums-Gründer Robert Wahsner will zudem ein Forschungsprojekt an der Universität Bremen starten. Der Hochschullehrer denkt an einen Schulversuch an einer Bremer Schule, der wissenschaftlich fundiert begleitet werden soll - um dann irgendwann einmal „als großes Fernziel das Yoga ganz selbstverständlich in die Grundausbildung von LehrerInnen einfließen zu lassen“ - damit noch in vielen anderen Schulen ganz plötzlich der Gong erklingt und Kinderarme wie Baumäste in den Himmel ragen.
Katja Ubben
Infos: ☎ 34 79 454.
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