: Rotkreuzler prellten ihre Wohlfahrtseinrichtung
Manager des Bayerischen Roten Kreuzes kassierten Schmiergelder in Millionenhöhe. Staatsanwalt plädiert auf acht Jahre Haft
MÜNCHEN taz ■ Den 60. Geburtstag feierte Adolf Vogt 1993 zünftig in Miami: Erste-Klasse-Flugtickets für 18.678 Mark, dann Doppelzimmer im noblen Turnberry Isle Hotel. Seinen Siebzigsten wird der langjährige Geschäftsführer des Blutspendedienstes (BSD), einer Tochterfirma des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK), wohl im Gefängnis zubringen. Gestern begannen vorm Landgericht München I die Schlussplädoyers im Strafprozess um die BSD-Schmiergeldaffäre.
Vogt (66) wirft die Staatsanwaltschaft Untreue in 20, Bestechlichkeit in 43 und Einkommenssteuerhinterziehung in vier Fällen vor. Er soll mindestens 2,55 Millionen Mark Schmiergeld kassiert und dem BRK durch die überhöhten Zulieferpreise 12,5 Millionen Mark Schaden zugefügt haben. Auch der Landesgeschäftsführer Heinrich Hiedl (67) ist angeklagt. Er soll die Zulieferverträge der Tochterfirma unterschrieben – und Schmiergeld kassiert haben. 1,52 Millionen für ihn, 5,5 Millionen Mark Schaden für den BSD, rechnete Staatsanwältin Brigitte Kugelmann gestern vor.
Nicht alles floss in bar. Für Vogts Geburtstag in Miami blechte der wichtigste Zulieferer des BSD, die Wiesbadener Abbott GmbH 113.000 Mark. Kugelmann: „Die angehängten Fun-Parts überwogen die Kongresse dabei bei weitem. Ein Zeuge sagte, sie seien schlicht am Strand gesessen.“ Für all das konnten Abbott und Konsorten dem BSD jahrelang Aids- und Hepatitistests zu 20 Prozent überhöhten Preisen liefern. „Umsonst ist nur der Tod“ und „Wir wollen keine Billig-Beutel“, sagte Hiedl den Zulieferern. So soll es seit Beginn der 80er-Jahre gelaufen sein.
Vogt und Hiedl zeigten keinerlei Schuldbewusstsein. Schließlich hätte sich schon ihr Vorgänger Ex-Ministerpräsident Alfons Goppel als BRK-Präsident auf Edeltouren einladen lassen. Vogt verstieg sich gar zur Selbststilisierung als Verführter: „Auf den Reisen las uns Herr A. die Wünsche von den Augen ab. Geld spielte offenbar keine Rolle.“
Nach zweieinhalb Monaten erdrückender Beweisaufnahme legten Hiedl und Vogt wenigstens Teilgeständnisse ab – allerdings vor allem über bereits Bewiesenes. Wohin das Geld verschwunden ist, haben die beiden nicht offen gelegt. Das Plädoyer lautete auf neun Jahre Haft für Vogt und acht Jahre für Hiedl.
Für die Verteidigung resultiert dieses Strafmaß allein daraus, dass die Staatsanwaltschaft sich der Schwäche ihrer Argumentation bewusst ist. Hans Jürgen von den Steinen, Verteidiger Vogts: „Es gab keine Bestechung, weil Vogt nur Angestellter eine privaten Firma – der BSD GmbH – war, nicht Amtsträger im öffentlichen Dienst.“ Auch Hields Anwalt plädierte mit dieser Argumentation.
Das Urteil wird am 19. April erwartet. Damit ist die Schmiergeldaffäre aber nicht zu Ende: Das BRK fordert in einem Zivilverfahren gegen Hiedl und Vogt je vier Millionen Mark Entschädigung, die Staatsanwaltschaft hat ihre Ermittlungen auf 33 Personen bei Zulieferfirmen und dem BSD ausgeweitet. Ungeklärt bleiben mögliche Verbindungen zur CSU. Hiedl war persönlicher Referent des Ministerpräsidenten Alfons Goppel, der ihn auch zum BRK schickte. KONRAD LISCHKA
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