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Kost the Ost

Der Radtourismus als sanfte Urlaubsform hat einen Gang zugelegt. Boomregion der Velophilen ist die Masurische Seenplatte in Polen. Auch Mecklenburg hat mittlerweile zweistellige Zuwachsraten zu verzeichnen

von CHRISTOPH RASCH

Auf wessen Spuren man auch immer wandelt: auf denen der Hanse, denen von Siegfried Lenz oder denen von Wisenten und Wölfen: Die natur- wie kulturgeschichtsträchtige Gegend rund um die Masurische Seenplatte im Nordosten Polens ist der Renner in den Katalogen der Anbieter von Radreisen.

„Schon seit Jahren gehört Polen in die Top Ten der bei uns am häufigsten nachgefragten Reiseziele“, berichtet Frank Hoffmann. Der stellvertretende Bundesgeschäftsführer beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) erklärt den Trend mit der Suche des Radlers nach „weitgehender Unberührtheit von Landschaft und Natur“.

Der Radtourismus als sanfte Urlaubsform hat längst einen Gang zugelegt. Inzwischen machte jeder zehnte Deutsche schon mal eine längere Reise mit dem Drahtesel. 1,9 Millionen waren es im vergangenen Jahr – und immer mehr Radwanderer erschließen die östlichen Gefilde zwischen dem Berliner Umland und dem polnischen Masuren.

Doch gerade hier halten sich auch die üblichen Vorurteile hartnäckig: Noch immer hat Polen mit einem negativen „Klau“-Image zu kämpfen – „zu Unrecht“, findet Klaus Hoffmann. Haupt-hemmnis der Velo-Reiselust nach Osteuropa ist laut Hofmann jedoch eine „negative Entwicklung“ bei der Fahrradmitnahme durch die Bahn – bislang gibt es nur drei direkte tägliche Verbindungen von Deutschland ins masurische Reisegebiet. Grenzüberschreitende Züge mit Möglichkeit zum Fahrradtransport ab Berlin bieten sich derzeit etwa nach Kostrzyn (Nahverkehr), Gdansk (Interregio) und einmal wöchentlich nach Kaliningrad („Königsberg-Express“) an.

Neben dem schwachen Bahnangebot hinkt laut ADFC auch der mangelnde Ausbau der Straßen-Infrastruktur dem Velo-Touristen-Ansturm hinterher. Service und Beschilderung seien oftmals noch etwas abenteuerlich, aber viele polnische Hoteliers machten das mit kreativen Ideen, Gastfreundlichkeit und Engagement wieder wett. Flexible, für Durchreise-Urlauber ausgelegte „Bed & Bike“-Konzepte seien dort schwer im Kommen, die polnische Hotelbranche hoch interessiert an den der „Zielgruppe Radwanderer“, so das Fazit der Experten auf der vergangenen Internationalen Tourismus-Börse (ITB).

„Polen hat neben Schweden den größten Zulauf“, berichtet auch Inge Hauer von „Rückenwind e.V.“, einem der größten deutschen Radreiseveranstalter. Sie ist sich sicher: „Polen ist das Zielgebiet der Zukunft.“ Zwischen 1995 und dem vergangenen Jahr habe sich die Nachfrage verfünffacht“, und das, „obwohl es in Polen gar keine Radreisewege im herkömmlichen Sinn gibt“, so Hauer. In der Saison von Ende Mai bis Ende September radeln vor allem Deutsche, Österreicher und Amerikaner durch Masuren.

Auch diesseits der Oder, in den Gebieten nördlich von Berlin, ist das Bild ähnlich: zweistellige Zuwachsraten der Fahrradtouristen – mittlerweile rund eine Million pro Jahr – hat auch das Gebiet um die Mecklenburgische Seenplatte zu verzeichnen. Und trotzdem klagen auch hier die Touristenverbände über die noch immer „sehr durchwachsene“ Qualität der Radwanderwege. Doch ein Highlight machte die Region laut der vom ADFC jährlich in Auftrag gegebenen „Radreiseanalyse“ 1999 zum beliebtesten Reiseziel innerhalb Deutschlands: Für den neuen Radwanderweg entlang der Mecklenburgischen Seen konnten die Fremdenverkehrsämter 1999 mehr als 50.000 Anfragen verbuchen – für den ADFC eine „regionale Erfolgsstory“ in puncto Radtourismus, von der man auch wichtige Impulse für die heimische Wirtschaft erwartet. Der 614 km lange Radweg führt von Lüneburg nach Usedom, gesäumt von rund 90 Hotels und Jugendherbergen. Viele lokale Hotels haben sich zusammengeschlossen und organisieren im Verband den Gespäcktransport von Radreisegruppen.

„Jeder Eimer mit Asphalt ist eine Investition“, appellieren die Tourismusstrategen an Landräte und Hoteliers. In Brandenburg investiert man nun verstärkt in Image und Reiseservice, um strukturelle Schlaglöcher wegzubügeln. In der Prignitz und der Niederlausitz etwa geht man mit gutem Beispiel voran und verteilt kostenlos kompakte Karten mit Sehenswürdigkeiten, Adressen und den besten Radrouten.

Insbesondere bei den Berliner Radreisenden vermutet der Tourismusverband Brandenburg e.V. dadurch ein „enorm großes Wachstumspotenzial“ – und will den Radwanderern so weiterhin „Erschließungshilfe“ leisten. Nur strampeln müssen Sie selber.

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