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Baut Zumthor!

Die Gedenkstätte „Topographie des Terrors“ muss nach dem Entwurf des Schweizer Architekten Peter Zumthor gebaut werden. Nur dieser Entwurf wird dem Ort der Täter gerecht. Ein Plädoyer

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Das „Internationale Dokumentationszentrum Topographie des Terrors“ rangiert im Sprachgebrauch derzeit nicht mehr als außergewöhnliches Gedenkstättenprojekt, sondern als betriebswirtschaftliche Größe im Berliner Haushalt. Mangelhafte Kalkulationen und die technisch komplizierte Konstruktion der „Stabwerksfassade“ aus filigranen Betonpfeilern haben de facto zu einem Baustopp auf dem Gelände des früheren Gestapo-Hauptquartiers geführt.

Mit der Preisgabe des Projekts und des Schweizer Architekten Peter Zumthor sowie der Prüfung von „Alternativen“ droht nun die Verabschiedung eines wesentlichen Eckpfeilers in der Geometrie der zentralen Gedenkstätten- und Erinnerungskultur in der Hauptstadt. Aber nichts wäre leichtsinniger als der Glaube, ein wie immer geartetes Gebäude könne ein Äquivalent für den abstrakten Riegel an jenem „spröden Ort“ (Reinhard Rürup) darstellen. Jede neue Architektur würde nicht mehr das erfüllen, was der Entwurf für die „Topographie“ als Institution konzeptionell bedeutet und zu erfüllen gedenkt.

Es ist müßig, darüber zu streiten, wer die Kostenexplosion der „Topographie des Terrors“ zu verantworten hat. Fakt ist, dass der frühere Bausenator Jürgen Klemann (CDU) das ungeliebte NS-Dokumentationszentrum ohne Kenntnis der exakten Baukosten auf 45 Millionen Mark festgeschrieben hatte – frei nach dem alten Frontstadtmotto: Das haben wir ja immer so gemacht, kein Problem, wenn es teurer wird. Jetzt soll das Gebäude rund 25 Millionen Mark mehr kosten – ein Preis, der vergleichbaren Museen und Institutionen entspricht und auch von Peter Zumthor kaum reduziert werden kann und wird. Andernfalls wären die Kompromittierung des Entwurfs sowie seiner Intention für den Ort sowie die Austellung die Folge.

Warum also streitet sich Berlin über eine nicht gerade exorbitante Summe, die funktional, künstlerisch und baulich zudem gerechtfertigt erscheint? Doch wohl weniger darum, weil man an der Notwendigkeit der Mittel und der Fähigkeit eines international renommierten Architekten zweifelt. Vielmehr gewinnt man den Eindruck, die „Topographie des Terrors“ ist – wie in der Vergangenheit bereits mehrfach geschehen – moralischer Störfaktor im Hauptstadtgefüge aus Potsdamer Platz, Regierungsviertel und neuer Mitte.

Die „offene Wunde“ (Andreas Nachama) der brachliegenden Stadtlandschaft und die Rudimente der NS-Terrorzentrale sind Symbole eines „Zivilisationsbruchs“, die für die Sympathisanten der nationalsozialistischen Entsorgungskultur nicht akzeptabel scheinen. Die 25 Millionen Mark Mehrkosten sind ein politischer Preis, den zu zahlen die Haushälter der beiden Regierungsparteien nicht bereit sind. Nicht mehr und nicht weniger.

Umso unverständlicher ist es nun, dass SPD-Bausenator Peter Strieder zum Halali auf den Architekten bläst – statt der Haushälterfronde den populistischen Spiegel vorzuhalten – und zugleich meint, ein abgespeckter Zumthor oder eine billige Alternative bedeuteten die Rettung des Projekts „Topographie des Terrors“. In dubio pro reo: Nichts wäre verhängsvoller für den Bau, das Renommée erstrangiger Architektur in Berlin und die Aufgabe der „Topographie“ im zentralen Gedenkstättenprogramm aus Jüdischem Museum, dem geplanten Holocaust-Mahnmal sowie dem Ort der Täter.

Zumthor hat sich dem schwierigen Gestapo-Gelände mit einem Entwurf genähert, der einem „undekorierten Schuppen“ (Dieter Hoffmann-Axthelm) näher kommt als einer kunstvoll inszenierten Überformung der mit Blut getränkten Erde. Auf dem Areal, an dem sich einst die Folterkeller Heinrich Himmlers befanden und nach dem Abriss der Ruine des Prinz-Albrecht-Palais eine Stadtbrache entstand, plant Zumthor ein langes schmales Haus ohne große Geste.

Auf dem Karree, so der Architekt, soll dem Gebäude die Ausstrahlung eines architektonischen Objekts zugedacht werden, das durch seine abstrakte Erscheinung „Widerstand leistet gegen gängige architektonische Zuordnungen und symbolische Interpretationen“. Das Gebäude ist schlicht, seine Fassade eine fragile transparente Konstruktion, die nicht durch voluminöse Präsenz in Erscheinung tritt, sondern besonders die „Leerstelle“ im Stadtgrundriss fokussiert. Zumthor: „Zusammen mit den bestehenden Schutthügeln, in die der Baukörper eingeschnitten ist, wird eine Figur geschaffen, in der sich Bauwerk und Topographie verschränken.“

Anders als das Jüdische Museum mit der Dokumentation der spezifischen jüdisch-deutschen Geschichte oder das Holocaust-Mahnmal samt Haus der Erinnerung mit dem Reflex und der ikonographischen Vermittlung des Holocaust werden im Zumthor-Bau der „täterorientierte Ort“, der Terror, die Taten und Opfer der Verbrechen dechiffriert. Die karge Stimmung aus rohem Beton, die frei zugänglichen Räume in den drei Geschossen, die weite Ausstellungshalle und die Verschränkung der Innen- und Außenräume haben nichts gemein mit dem Charakter auftrumpfender Museen. „Das Bauwerk ist der Hintergrund, es sprechen die Dokumente, es spricht der Ort“, hat Zumthor seinen Entwurf einmal erklärt. Die ausgegrabenen Kellergewölbe bilden das Ambiente eines Gedächtnisortes, in dem die Architektur dessen Bedeutung interpretiert.

Worin also sollen sich, außer in einem Bau ohne Symbolhaftigkeit, mit einer mehr abstrakten als festen Hülle und einer „ernüchternden“ architektonischen Handschrift die Dokumente des Terrors ausstellen? In einer Kiste mit vier Wänden etwa, in einem Zumthorschen Verschnitt aus Stahlträgern, einem Wald aus Eisenpfeilern mit vorgeblendeten weissen Steinplatten? Wohl kaum. Welchen Sinn eine spezifische Architektur macht, sieht man nicht zuletzt beim Libeskindbau. Und will es sich die Stadt leisten, hinter Eisenman und Libeskind per Alternativplanung aus der Feder des Bausenators zurückzubleiben?

All dies, prophezeit Stiftungsdirektor Reinhard Rürup, hätte Auswirkungen auf die anderen Gedenkstättenprojekte. Es fehlte nicht nur an einer definierten „Tätereinrichtung“, sondern zugleich an einem „lebendigen Ort im Umgang mit der Geschichte und Gegenwart“: Wo das Hauptexponat das ganze Gelände ist, wo das Stabwerk wie ein leichter Vorhang vor der Bibliothek mit ihren Dokumenten, dem Vortragssaal und der Schauhalle für Wechselausstellungen hängt und als bauliches Programm dem Zusammenhang für das Gesamtkonzept der „Topographie“ bildet. Baut Zumthor! bericht SEITE 14

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