: Freier Kunde
Kampagne gegen Frauenhandel und Zwangsprostitution gestartet. Parallel begann Prozess gegen Zuhälter vom Straßenstrich ■ Von Elke Spanner
Die Männer haben die Wahl. Sexuelle Dienstleistungen sind in Hamburg einfach zu bekommen, über Zeitungsinserate, auf dem Straßenstrich oder im Bordell. Durch die Halblegalität des Milieus ist für Freier aber wenig transparent, ob die Frauen ihrem Beruf freiwillig nachgehen oder Opfer von Zwangsprostitution sind. Die Kunden dafür zu sensibilisieren, ist das Ziel der Kampagne „Männer setzen Zeichen“ des Senatsamtes für Gleichstellung, die morgen anläuft – aus Kostengründen aber nur eine Woche lang.
„Beim Thema Frauenhandel standen bisher die Opfer und die Täter im Blickpunkt“, erklärte Senatorin Krista Sager (GAL). Erstmals soll es nun um die „Kundenseite“ gehen. Oft wüssten die Freier nichts über die ausweglose Situation der Frauen, bei denen sie sich Sex kaufen. Zentrales Element der Aufklärungskampagne ist deshalb ein Faltblatt mit Hinweisen, woran Männer erkennen können, dass eine Frau unter Gewaltanwendung zur Prostitution gezwungen wird: Beispielsweise wenn sie verängs-tigt wirkt, unter ständiger Überwachung zu stehen scheint oder erzählt, dass ihr der Pass abgenommen wurde. Das Faltblatt wird an den Eintrittsschaltern zu den Hamburger Exponaten der „Expo“ ausgelegt. Dort werden Tausende Besucher erwartet – darunter viele Männer, für die der Gang zu einer Prostituierten zum Hamburg-Besuch gehört.
Mit dem Bild einer Frau mit blau geschlagenem Auge werden zudem in der Stadt Plakate aufgehängt. Die allerdings bleiben nur eine Woche hängen. In dieser Zeit können sich Männer, die Hinweise auf misshandelte Frauen geben oder sich über das Thema informieren wollen, bei einer Hotline des Vereins „Männer gegen Männergewalt“ anrufen. Auch anschließend, versichert Geschäftsführer Thomas Dangers, bleibt das Projekt Ansprechpartner für Freier.
Hegen diese den Verdacht auf die Misshandlung einer Prostituierten, wird ihnen empfohlen, der Frau die Telefonnummer der „Hamburger Koordinierungsstelle für Opfer von Frauenhandel (KOOFRA)“ zu geben oder selbst dort anzurufen – auch anonym. „Wir führen keine Kampagne gegen Prostitution, sondern gegen Frauenhandel und Gewalt“, betont Dangers. Der Journalist Roger Willemsen, Schirmherr der Kampagne, will Prostitution in den Augen der Männer entromantisieren und ihnen die „Lustlosigkeit der Lust“ bewusst machen, die sie im Bordell erleben.
Auch das Hamburger Landgericht beschäftigte sich gestern mit der sexuellen und wirtschaftlichen Ausbeutung von Prostituierten. Es eröffnete den Prozess gegen sechs Männer, die zwischen 1994 und 1999 fast alle Bordelle rund um den Straßenstrich in der Süderstraße in Hammerbrook betrieben haben. Hauptangeklagter ist der als „Albaner-Willi“ bekannte Musa A., der Arbeitszeit, Bekleidung, Lohn und Abgaben der Prostituierten bestimmt und selbst Millionen verdient haben soll. Allein die Verlesung der Liste der Frauen, die laut Anklage in „persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit“ gehalten worden sein sollen, dauerte über eine Viertelstunde. Offenbar werden sie aber nicht einmal als ZeugInnen vernommen.
Ursprünglich war das Verfahren bis ins Jahr 2001 terminiert. Ges-tern erklärte die Kammer, im Vorfeld Gespräche mit den Verteidigern geführt zu haben. Die bekräftigten am Rand des Verfahrens ihre „Bemühungen, den Prozess zeitlich zu begrenzen“. Wie, verkündet das Gericht am Donnerstag.
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