: Ende der großen Konzepte
Die deutsche Bundesregierung will in Lateinamerika im „Kontrast“ zur Nafta mit den Regionen zusammenarbeiten. Viel fällt Staatsminister Volmer dazu aber nicht ein
BERLIN taz ■ Die Bundesregierung hat gestern in Gestalt des grünen Staatsministers im Auswärtigen Amt, Ludger Volmer, vor Journalisten in Berlin ein neues Lateinamerikakonzept vorgestellt – dabei hat sie gar keins. Die Zeit der großen Kontinentalkonzepte sei vorbei, begründete Volmer, deshalb arbeite man künftig regionalorientiert. Die größte strategische Bedeutung komme dabei aus deutscher Sicht der Zusammenarbeit der Europäischen Union mit dem Mercosur zu, dem südamerikanischen gemeinsamen Markt zwischen Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Langfristig sei die Schaffung einer Freihandelszone angestrebt, auch als „Kontrastprogramm“ zu den von der US-amerikanischen Regierung mehrfach formulierten Vorstellungen einer Ausdehnung der Nordamerikanischen Freihandelszone (Nafta) zwischen USA, Kanada und Mexiko auf ganz Lateinamerika.
Mit dieser Überlegung folgt die rot-grüne Bundesregierung der Politik ihrer Vorgänger und der bekannten EU-Linie: Schon im Dezember 1995 unterzeichneten die Mitgliedsstaaten von EU und Mercosur ein Rahmenabkommen mit dem Ziel einer „politischen und wirtschaftlichen Assoziierung“, das 1999 in Kraft trat.
Auch die zentralen Aussagen zu den anderen vier Regionen, in die das Auswärtige Amt den Subkontinent unterteilt hat (Andenstaaten, Zentralamerika, Karibik und Mexiko) lassen vor allem ein geringes Interesse an Lateinamerika erkennen. Die zentralamerikanischen Länder seien nach den „ideologischen Auseinandersetzungen“ der 80er-Jahre – an denen Ludger Volmer als Mitarbeiter der Internationalismuskreise der Grünen engagiert beteiligt war – wieder in den Stand „normaler Entwicklungsländer“ gerückt. Mexiko sei als Nafta-Partner einerseits und lateinamerikanische Führungsmacht andererseits ein Sonderfall mit Schlüsselbedeutung, habe aber ein Menschenrechtsproblem. Die Andenländer steckten allesamt in politischen und sozialen Krisen, und zur Karibik habe Deutschland kein „Profil“.
Das deckt sich mit der Politik der anderen Ministerien, die Deutschlands Außenbeziehungen definieren. Auch das Bundesentwicklungsministerium (BMZ) sieht nur noch ganze fünf lateinamerikanische Länder als „Schwerpunktländer“: Bolivien, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Peru – in Asien sind es immerhin neun, in Afrika 15.
Lediglich in ihrer Kubapolitik bemüht sich die Bundesregierung um eine neue Dynamik. Schließlich, so Volmer, stehe Kuba vor erheblichen Umbrüchen, und wer dann mittun wolle, müsse rechtzeitig „in die Startlöcher kommen, bevor es zu spät ist“. BERND PICKERT
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