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Damen auf der Datenautobahn

Das Internet wird noch immer von Männern dominiert, doch der Frauenanteil steigt: Mehr als 3.000 Anfängerinnen und Profis informierten sich auf dem Frauenforum für Neue Medien „digitelle“ über geschlechtsspezifisches Surfen und Mailen

von JENNI ZYLKA

Die Hostessen fehlen. Jene leicht geschürzten bis gar nicht geschürzten Damen, die bei anderen Computer- und Neue-Medien-Messen zuhauf an den Ständen lungern und durch die Hallen streifen, um die zu 90 Prozent männlichen Besucher zu den Start-up- oder Internet-Service-Unternehmen zu locken.

Bei einer Frauen-Medien-Messe haben solche Häschen nämlich nichts zu suchen. Frauen braucht man anscheinend nicht durch themenfremde Schlüsselreize anzustacheln. Die interessieren sich auch so für die Branche. Jedenfalls die über 3.000 Frauen, die sich am Wochenende bei der ersten von Frauen ausgerichteten „Frauen machen Neue Medien“-Messe, der „digitelle“ in Hamburg, über IT-Themen informierten oder die Praxisangebote nutzten.

Die Veranstalter, das Hamburger Senatsamt für Gleichstellung mit Schirmfrau Krista Sager (GAL) und das MAZ Hamburg (Mikroelektronik Anwendungszentrum) sind zufrieden mit der Resonanz: „Wir hatten mit 1.000 Frauen am Tag gerechnet“, sagt die digitelle-Pressesprecherin Marie Jansen, die mit Krista Sager einen Rundgang über die Messe anführt, „und am ersten Tag kamen schon 1.500, am zweiten noch mal 30 bis 50 Prozent mehr.“ Am Veranstaltungsort Channel Harburg marschieren Gruppen von Frauen und Mädchen zwischen Bootsanlegestelle und Cateringzelt, den Vortragssälen, dem großen Messegebäude mit über 130 AusstellerInnen und den Praxiswerkstätten hin und her.

In einem „Schülerinnenzelt“ lernen Mädchen, selbst einen Computer zusammenzubauen, in den Praxiswerkstätten geht es vom obligatorischen „Internet-Schnupperkurs“ bis hin zum HTML-Seiten erstellen und Videoschnitt am Computer. Ohnehin ist der große Pluspunkt der Medien-Messe, dass die Frage, ob eine solche Veranstaltung wirklich geschlechtsspezifisch ausgerichtet sein muss, sich selbst beantwortet: Natürlich können interessierte Frauen auch zu „gemischten“ Neue-Medien-Messen wie der Internetworld gehen. Aber die spezielle Situation vieler Frauen, den „Wiedereinsteigerinnen“ beispielsweise, die den Anschluss verpasst haben, wird dort nie berücksichtigt, zu weit fortgeschritten ist die IT-Entwicklung schon.

Eine „Hausfrau aus Fischbek“, wie sie sich selbst beschreibt, ist so ein typischer Fall. „Ich habe mich 15 Jahre lang um die Kinder gekümmert“, sagt die resolute Dame Anfang 40. „Als ich damals als Sekretärin aufgehört habe, gab es noch nicht mal einen Computer an meinem Arbeitsplatz.“ Das ist die eine große Gruppe der Besucherinnen.

Die andere sind einfach Fachfrauen. Unternehmerinnen, die Tipps für ihre Firmenexpansion brauchen, Mediengestalterinnen und PR-Frauen, Journalistinnen und Software-Entwicklerinnen. Sie sitzen in den Vorträgen über Networking und Internet-Recht, diskutieren mit den eingeladenen Expertinnen aus Silicon Valley und machen sich Gedanken über speziell weibliche User-Bedürnisse für das Internet.

Welche das sind, macht zum Beispiel Prof. Dr. Gabriele Winker in ihrem Vortrag über „Frauen auf dem Weg in die Informationsgesellschaft“ deutlich: Der Frauenanteil im Internet liegt im europäischen Durchschnitt bei 7,2 Prozent, Männer surfen und mailen fast dreimal so viel. Interessanterweise ist der „Gendergap“ bei den E-Mail-Nutzerinnen geringer als beim Benutzen von Suchmaschinen: Kommunikativere Damen nutzen lieber und häufiger die elektronische Post als die Recherchemöglichkeit www.

„Das liegt daran“, behauptet die Professorin aus Furtwangen, „dass das Angebot nicht stimmt! Frauen fragen sich: Wo soll ich denn hin im Netz? Die Themen werden von Männern für Männer definiert, Hauptpunkte sind Erotik- und Sexseiten, Sport.“

Die Akademikerin fordert daher die Damen auf, „ihre“ Themen stärker zu vertreten. „Ich habe mal nach so genannten Hausfrauenthemen gesucht, Gesundheit, Alltagstipps und so weiter. Die findet man in den meisten Fällen, wenn überhaupt, unter Freizeit, Unterhaltung, Humor. Was ja wieder darauf schließen lässt, als was Hausfrauenarbeit allgemein angesehen wird.“

Die Referentinnen thematisieren das Frauen-Männer-Verhältnis aber alle wohltuend beiläufig „Wir wollten uns nicht selbst bemitleiden oder herummotzen“, erklärt Pressesprecherin Jansen zur Idee der Frauen-Medien-Messe, „sondern eher sagen: Seht her, das haben wir alles schon geschafft!“ Und dass Mädchen und Frauen oft besser von Frauen und unter Ihresgleichen lernen können, wurde schließlich schon mit der umstrittenen Koedukation in den klassischen Jungen-Schulfächern Physik, Mathe und eben auch Informatik thematisiert.

Noch eine innovative Neuerung findet sich bei der digitelle: Ein Kinderbetreuungszelt. Dort steht ein einzelner mitgebrachter Vater und pustet mit Kleinkindern Seifenblasen.

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