: Aber bitte mit Sahne . . .
Diepgen lässt sich sein Votum für die rot-grüne Steuerreform mit Haupstadt-Millionen versüßen. So einhellig war das Lob schon lange nicht mehr. Den Zwist mit der Bundespartei nimmt er gelassen
von RALPH BOLLMANN
75 Millionen Mark jährlich für die Berliner Polizei, 25 Millionen Mark zusätzlich für die Sanierung der Museumsinsel, dazu ein Nachschlag für den Umbau des Olympiastadions: das ist das Stück, das sich der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) für seine Zustimmung zur rot-grünen Steuerreform aus dem rot-grünen Finanzkuchen schneiden durfte.
Einen solchen Leckerbissen konnte Diepgen nicht verschmähen. Als einziger CDU-Ministerpräsident stimmte er der Reform zu. Die Schelte der blamierten Bundespartei nimmt der Bürgermeister gelassen. Auf die Frage, ob Fraktionschef Friedrich Merz und die Parteivorsitzende Angela Merkel durch das Votum beschädigt würden, antwortete Diepgen gestern nur: „Im Kern sehe ich das nicht.“ Eine solche Debatte sei eine „typische Aufgeregtheit der Mediengesellschaft“. Diepgen selbst begründete sein Umschwenken mit der zusätzlichen Entlastung für kleine und mittlere Unternehmen, zu der sich die Bundesregierung in letzter Minute bereit fand: „Für meine Entscheidung war die Mittelstandsförderung wichtig.“
Das Tauziehen um die Steuerreform bot dem Bürgermeister eine einmalige Gelegenheit: Sonst in der Bundespolitik eine gern vernachlässigte Größe, konnte sich Diepgen eine Woche lang im Licht seiner plötzlich gewonnenen Bedeutung sonnen – und am Ende in einer einzigen Nacht durchsetzen, woran er jahrelang gescheitert war. Bislang hatte die Bundesregierung stets bestritten, dass es die von Berlin begeklagten „Hauptstadtlasten“ überhaupt gibt – nun plötzlich liegen dafür 75 Millionen Mark auf dem Tisch.
Fast wichtiger noch ist der Prestigegewinn. Als Bittsteller mochte Diepgen nicht zu Schröder pilgern. Seit die beiden anlässlich des Regierungsumzugs gemeinsam eine Torte anschnitten, herrschte Funkstille. Als Umworbener jedoch trat der Bürgermeister den Gang zum Kanzler, der ihn schon bei den letzten Staatsbesuchen vor der Steuerreform wieder ins Rampenlicht gerückt hatte, gerne an.
So einhellig war das Lob für Diepgen schon lange nicht mehr. Berlins SPD-Chef Peter Strieder sprach von einem „wichtigen Zeichen“ für bessere Beziehungen zwischen dem Bund und Berlin. Die Industrie- und Handelskammer ließ wissen, Diepgen habe sich „für Berlin und für die Wirtschaft“ entschieden. CDU-Fraktionschef Klaus Landowsky befand, das Votum sei „richtig und im Interesse Berlins“, und Finanzsenator Peter Kurth (CDU) würdigte den „persönlichen Einsatz“ des Bürgermeisters, der zu einem „Erfolg für den Mittelstand“ geführt habe.
In den Chor des allgemeinen Lobes für den Berliner CDU-Chef wollte nur der eigene Generalsekretär Ingo Schmitt nicht einstimmen. Noch am Donnerstag, als sich der Deal mit Diepgen immer deutlicher abzeichnete, kritisierte Schmitt das „Mehrheits-Shopping“ der Bundesregierung. Es sei „verwerflich, eine strukturpolitische Grundsatzentscheidung an finanzielle Gaben zu koppeln“.
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