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Hochrangige Stasi-Quelle bespitzelte SPD-Vorstand

Neue Erkenntnisse der Gauck-Behörde zu Stasi-Informanten in der SPD. Journalist soll Ferngespräche belauscht haben. Suche nach weiterer Quelle „Akker“

BERLIN taz ■ Jahrelang soll er aus dem SPD-Parteivorstand Informationen für die Stasi gesammelt haben. Noch heute sei der Spitzel mit dem Namen „Akker“ bei der Partei beschäftigt, behauptete der Tagesspiegel. Doch die Gauck-Behörde kann mit dem Namen nichts anfangen, und auch bei der Bundesanwaltschaft ist der angebliche Spion nicht bekannt.

Wen man dort kennt, ist ein Mann namens „Max“. Der soll von 1973 bis 1987 mehr als 1.200 Materialien über den engsten SPD-Zirkel geliefert haben – darunter Belastendes über den früheren Finanzminister Hans Matthöfer. Dieser soll, so heißt es im Dossier mit der Nummer 416/84, in den Flick-Skandal verstrickt gewesen sein und schwarze Gelder über den SPD-Unterbezirk Frankfurt/M. an den Parteivorstand geleitet haben. Ex-Kanzler Helmut Schmidt habe wiederum die Steuerbefreiungsaktion für den Flick-Konzern gebilligt.

Bei den nun veröffentlichten Unterlagen handelt es sich nicht um die Wortprotokolle selbst, sondern die von der Stasi für das Politbüro gefertigten Zusammenfassungen. Nach Angaben des Bundesanwalts Joachim Lampe soll es sich bei dem Informanten um einen Bonner Journalisten gehandelt haben. Bereits im Verfahren gegen einen Leiter der Abteilung II der HVA vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht 1992 sei dieser enttarnt worden. Die Wahrheit lässt sich kaum mehr herausfinden, denn der Mann ist 1987 gestorben. Bei der Gauck-Behörde will man nicht bestätigen, dass „Max“ der Verstorbene ist: „Ob Dossiers in dieser Qualität auf einen Journalisten zurückgehen, ist fraglich“, sagte eine Sprecherin gestern zur taz. Bei dem Spitzel müsse es sich um jemanden gehandelt haben, der recht nahe an der SPD-Führung gewesen sei, so die Gauck-Behörde.

Die meisten Unterlagen der Hauptverwaltung Aufklärung existieren nicht mehr. Die Stasi schredderte die Protokolle während der Wende. Eine große Koalition aus CDU, FDP und SPD votierte dafür, auch die im Westen aufgetauchten Dossiers zu vernichten. Allerdings: Ein Großteil konnte gerettet werden. Doch die Archivare der Gauck-Behörde haben die Bestände aus der Stasi-Hauptabteilung III, die für das Abhören von Telefonaten aus Westdeutschland zuständig war, bislang gar nicht erschlossen. Wohl nicht zuletzt, um sich politischen Ärger zu ersparen. Im Streit um den CDU-Spendenskandal hat sich Altkanzler Helmut Kohl eine Veröffentlichung der ihn betreffenden Protokolle verbeten.

Das Objekt der Stasi-Lauschangriffe, die SPD, gibt sich gelassen. „Der Fall ist ungefähr so neu wie der von Ibrahim Böhme“, sagt der Sprecher des Parteivorstandes, Michael Donnermeyer. „Nämlich gar nicht.“ Bereits nach der Wende sei „Max“ enttarnt worden. Über einen zweiten Spitzel „Akker“ sei ihm nichts bekannt. Die nun veröffentlichten Dokumente böten auch keine Grundlage für weitere Recherchen.

Der Gauck-Behörde scheint der Fall brisanter. Sie will weitere Nachforschungen anstellen.

NICOLE MASCHLER

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