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Tödliche Tritte aus Hass

Die drei Täter im Mordfall Alberto Adriano sind zu lebenslänglich und zwei mal neun Jahren Haft verurteilt worden

aus Halle ANNETTE ROGALLA

Wenn Frank M. und Christian R. in neun Jahren die Jugendhaftanstalten verlassen, werden sie 25 Jahre alt sein. Bei guter Führung kommen sie früher raus. Wann Enrico Hilprecht (24) aus dem Knast kommt, ist ungewiss. Er bekam lebenslänglich. Das Oberlandesgericht Naumburg befand die drei gestern für schuldig, Alberto Adriano, geboren in Mosambik, ermordet zu haben – aus niedrigen Beweggründen. „Sie haben Alberto Adriano erschlagen, weil er eine andere, eine dunkle Hautfarbe hatte“, sagte der Vorsitzende des Staatsschutzsenats in Halle, Albrecht Henning.

Der Senat folgt mit den Urteilen weitgehend dem Plädoyer der Bundesanwaltschaft für Höchststrafen – lebenslänglich für den Bäcker Enrico Hilprecht, jeweils zehn Jahre für die Schulabbrecher Frank M. und Christian R. (beide 16). Die Angeklagten hatten während des Prozesses die Attacke gestanden, bestritten aber eine Tötungsabsicht. Wer mit Springerstiefeln auf einen Menschen eintrete, dem müsse klar sein, dass die Tritte auch den Tod zur Folge haben könnten, sagte Henning.

Während der Verhandlung hatte das Trio versucht, sich zu entlasten. Nicht sie hätten Alberto Adriano angegriffen, sondern seien von ihm angesprochen worden. Auf die Frage, was er denn gewollt habe, fand niemand von ihnen eine Antwort. Frank M. gab lediglich an, „der hat etwas gelabert“.

Zufällig waren Enrico Hilprecht, Frank M. und Christian R. zur selben Zeit am selben Ort. Christian R. und Frank M. kennen sich schon länger. Am Abend des 11. Juni hatten beide den letzten Zug nach Wolfen verpasst. Sie setzen sich auf die Bahnhofstreppe und trinken eine Flasche Sekt. Enrico Hilprecht ist ebenfalls der Zug weggefahren. Leicht können sich die drei als Kameraden erkennen. Alle tragen kurze Haare und Springerstiefel. Auf dem T-Shirt von Enrico Hilprecht steht: „Ewig lebe der Soldaten Ehre“. Man teilt die Wegzehrung miteinander: zehn Flaschen Bier, eine Flasche Goldbrand. Gegen Mitternacht wirft ein Wachmann die Gruppe raus. Das Trio macht sich auf den Weg durch die Stadt, der nächste Zug geht erst morgens.

„ ‚Hier marschiert der nationale Widerstand. Sieg Heil‘, haben Sie gerufen“, hält ihnen der Richter vor. „Eine halbe Stunde marschieren Sie so durch die Stadt, bis Sie auf Alberto Adriano treffen.“ Der 39-Jährige kommt ihnen am Stadtpark entgegen. „Schwarze raus“, pöbeln sie. Adriano sagt, dass er in Dessau wohnt, arbeitet, seine Kinder nur wenige Meter entfernt im Bett schlafen. Sie haben ihn schon gepackt. Enrico Hilprecht, der Ältere, tritt als Erster zu. Als Adriano am Boden liegt, machen auch die beiden Jüngeren mit. Bald rührt sich Alberto Adriano nicht mehr. Die Skinheads klauen ihm Geld, ziehen ihm die Kleider vom Leib und dreschen erneut auf ihn ein. Als Frank M. ruft, „der ist schon tot“, lässt keiner ab. „Jeder von Ihnen hat die Tritte gebilligt und den Tod in Kauf genommen“, entschied das Gericht. Die drei ließen sich treiben von ihrem Hass auf Ausländer. Woher dieser Hass kam, wurde nicht geklärt.

Spendenkonto Familie Adriano: Kto. 33002260, BLZ 80053572, Sparkasse Dessau

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