: Recht ausgesessen
■ Staatsanwalt fordert für Amtsrichter Schill sieben Monate Bewährungsstrafe
Sein Richteramt wird Ronald Schill wohl auch im Falle einer strafrechtlichen Verurteilung nicht verlieren. Die Staatsanwaltschaft plädierte zwar gestern vor dem Landgericht darauf, ihn wegen Rechtsbeugung und Freiheitsberaubung schuldig zu sprechen. Staatsanwalt Ewald Brand forderte aber nur eine Freiheitsstrafe von sieben Monaten auf Bewährung – und erst bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr hätte Schill im ju-ristischen Sinne ein Verbrechen begangen und würde zwingend seinen Job verlieren. Morgen wird das Landgericht sein Urteil verkünden.
Brand verlangte nur die abgeminderte Strafe, weil Schill die Rechtsbeugung nicht durch aktives Tun, sondern durch ein Unterlassen begangen habe. Er hatte Ende Mai vorigen Jahres die Beschwerde von zwei von ihm inhaftierten Prozesszuschauern erst kurz vor Ablauf deren dreitägiger Haftzeit an das entscheidungsbefugte Oberlandesgericht weitergeleitet. Es sei nicht hinnehmbar, so Brand, „dass der Rechtsschutz der Inhaftierten einfach ausgesessen wird“.
Als „Schutzbehauptung“ wies Brand die Behauptung Schills zurück, erst am Donnerstag und damit einen Tag nach seinem Haftbeschluss von der sofort eingelegten Beschwerde erfahren zu haben. Das hatte Schill gestern zu Protokoll gegeben, als er sich erstmals zu den Vorwürfen äußerte. Da hatte er auch das Geheimnis gelüftet, wie er den Donnerstag Vormittag verbracht haben will – als die AnwältInnen der Häftlinge und die Gerichtsverwaltung vergeblich auf sein Erscheinen bei Gericht gewartet hatten. An jenem Vormittag, so Schill, habe er sich beim Landeskriminalamt und in einem Fachgeschäft nach Sicherungsriegeln für seine Wohnungstür erkundigt – weil er sich wegen der Inhaftierung vom Vortag akut fühlte.
Schills Verteidiger Walter Wellinghausen forderte Freispruch für seinen Mandanten. Auch er sei nun davon überzeugt, dass innerhalb der Hamburger Justiz ein Komplott gegen Schill geschmiedet worden sei. Das Mandat habe er ursprünglich übernommen, um Schill die Rechtsstaatlichkeit seines Prozesses beweisen zu können.
Elke Spanner
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