Nachgehakt: „Ein Stück Einmaligkeit“
■ Im Rheinland stellt die evangelische Kirche muslimische Erzieherinnen ein
Im Rheinland sitzten die „Exoten“ unter den Landesverbänden der Evangelischen Kirche, meint Gabi Brosda, vom Verbandes evangelischer Tageseinrichtungen in Düsseldorf. Dort beschäftigt man als erster Landesverband seit Januar muslimische Erzieherinnen, während dieses Thema in Bremen noch „ein Buch mit sieben Siegeln ist“ (die taz berichtete). Und die Erfahrungen im Rheinland? „Bislang waren die noch nicht sehr zahlreich, aber dafür sehr gute.“
Der Boom an Bewerbungen ist bislang noch ausgeblieben. Rund 13 muslimische Fachkräfte wurden inzwischen unbefris-tet eingestellt. Zwar sei klar, das islamische Erzieherinnen die Kinder nicht im evangelischen Glauben erziehen können, dafür wurde ein Kompromiss gefunden: Die Türkinnen dürfen nur als Zweitkraft, also nicht in Leitungsposition, angestellt werden.
Dafür hat der Landesverband im Frühjahr die Kirchenordnung verändern. „Um uns den Menschen in diesem multi-kulturellen Land zu stellen“, erklärt Bros-da. Der Verband evanglischer Tageseinrichtungen befürwortet grundsätzlich „multi-kulturelle Teams, die interkulturelles Lernen, Offenheit und Toleranz ermöglichen“. Brosda hält das selbst in Gruppen mit wenigen muslimischen Kindern für möglich. „Im Moment fangen die Einrichtungen erst an, an ausländische Kräfte zu denken, wenn der Anteil ausländischer Kinder bei 50 Prozent liegt.“
Noch ist die evangelische Kindergartenordnung im Rheinland ein „Stück Einmaligkeit“, meint auch ein Jurist des dortigen Landesverbandes, der nicht genannt werden will. Proteste soll es bei der Änderung der Kindergartenordnung im Frühjahr kaum gegeben haben. „Das war eine sehr sachliche Debatte“, erinnert er sich: „Kritik gab es nur von Leuten, die die Probleme in einigen Einrichtungen nicht kannten.“
Und die Probleme waren mancherorts offenkundig: „Wir haben zum Beispiel in Duisburg die Situation, dass in einem Kindergarten 70 Prozent der Kinder islamisch sind.“ Die Konsequenz daraus wäre entweder gewesen, den Kindergarten zu verkleinern und sich nur noch um deutsche Kinder zu kümmern. Allerdings vertrauten die türkischen Eltern lieber den kirchlichen Einrichtungen, als den „gottlosen kommunalen Kindergärten“. Die Alternative: „Wir nutzen diese funktionierende Einrichtung, das Vertrauen der türkischen Eltern für einen christlich-islamischen Dialog im Kleinen.“ Denn auch die Evangelische Kirche müsse künftig „der inzwischen vielfachen religiösen Situation Rechnung tragen“.
Noch ist der evangelische Landesverband allein auf weiter Flur. Man sei in Kontakt mit den Islambeauftragten der einzelnen Landeskirchen. Nachahmer gebe es noch keine, aber „ein gestiegenes Problembewusstsein“, so der Jurist. Die Kollegen in den anderen Landesverbänden, meint auch Brosda, betrachte das mit Wohlwollen. pipe
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen