: Das 46 Prozent-Opfer
■ Harburger Zeitung startet Umfrage zum Urteil gegen Schill. Grüne rufen Presserat an
Ronald Schill ist schon heute wählbar, gut ein Jahr vor der Bürgerschaftswahl. Die Harburger Anzeigen und Nachrichten (HAN) lassen ihre LeserInnen im Internet darüber abstimmen, ob der wegen Rechtsbeugung verurteilte Amtsrichter Straftäter oder Opfer von politischem Druck ist. Das Ergebnis wird am Samstag veröffentlicht. Die Harburger Grünen haben sich beim deutschen Presserat beschwert.
Schill ist wegen Rechtsbeugung zu 12.000 Mark Geldstrafe verurteilt worden, da er die Beschwerde zweier in Ordnungshaft genommener Männer bewusst verschleppt hatte. Er selbst sieht sich als „Opfer von politischem Druck der rot-grünen Regierung in Hamburg, die unbedingt an der Macht bleiben will“. Und die HAN fragt: „Was meinen Sie? Ist Schill Täter oder Opfer?“
Mit der Umfrage, so der Vorstandssprecher der Harburger GAL, Dieter Carmesin, „wird intendiert, dass vor dem Hintergrund des gegen Schill geführten Strafverfahrens die Opferthese gerechtfertigt sein könnte“. Dadurch werde „die Pressefreiheit missbraucht, um die Verleumdung unsereres Staatswesens gesellschaftsfähig zu machen“.
Die Entscheidung über die allwöchentliche Leserumfrage treffen bei den HAN die RedakteurInnen auf der Konferenz. Sie hätten aber nicht Schills Verschwörungstheorie zur Debatte gestellt, sondern lediglich „das strafrechtliche Urteil der persönlichen Aussage Schills gegenübergestellt“, so Gerhard Bork, der den Online-Auftritt betreut. Die LeserInnen seien aufgrund der Berichterstattung über den Fall Schill in der Lage, sich auch ohne persönliches Erleben des Prozesses ein Bild über diesen zu machen. Bis gestern Nachmittag erklärten 46,6 Prozent der Abstimmenden Schill zum Opfer einer politischen Intrige.
Er selbst sah sich gestern erneut darin bestätigt. Die Richterdienstkammer hat seine Suspendierung aufgehoben. Zwar hatte Schill diese selbst verlangt, weil er als angeklagter Richter befangen sei. Nun will er wieder über Andere Recht sprechen – obwohl er nicht nur angeklagt, sondern verurteilt ist.
Elke Spanner
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen