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Das Wässerchen aus Kartoffeln gebrannt

Woher der Wodka kommt, weiß außer den Russen niemand so genau. Ob Gorbatschow oder Smirnoff, am Zarenhof jedenfalls wurde der Wodka aus den verschiedensten Gründen geschätzt, genossen und verschenkt. Ein Porträt

Wodka [russ. >Wasserchen<] der="" oder="" die,="" wasserheller="" russ.="" Trinkbranntwein="" (40="" Prozent="" Alkohol)="" aus="" Kartoffeln.="" (dtv-Lexikon)<="" em="">

Als Leontowitsch Gorbatschow 1917 St. Petersburg verließ und vor der Oktoberrevolution nach Berlin flüchtete, reiste die Familie mit leichtem Gepäck. Wichtigste Habe: ein gut gehütetes Geheimrezept zur Wodkadestillierung. In Russland hatte sich Gorbatschow mit seinem Produkt einen Namen gemacht. Und in den zwanziger Jahren entdeckte nun auch die deutsche Hauptstadt das Wässerchen.

Ein anderer Revolutionsflüchtling brachte den Wodka nach Amerika. Rudolf Kunett erwarb in den Dreißigerjahren eine Rezeptur von Wladimir Smirnoff, dessen Familienbetrieb einst exklusiv den Zarenhof belieferte. Die Zaren wussten immer schon einen guten Tropfen zu schätzen – auf die eine oder andere Weise: Iwan IV. („der Schreckliche“) erkannte die Bedeutung der Wodkaherstellung für die Reichsfinanzen. Fortan war das Destillieren von Wodka, im 16. Jahrhundert vornehmlich noch Zusatz zu Heilmitteln und Kosmetika, Monopol des Staates. Das kam Zar Peter I. („der Große“) gut ein Jahrhundert später gerade recht. Der Bau der neuen Hauptstadt und die dauernden Kriege verschlangen Unsummen. Als zivilisiertes Land, meinte der Modernisierer, brauche Russland Dreierlei: Wodka, Tabak und Kartoffeln. Der Zar ging seinen Landsleuten beispielhaft voran – und starb 53-jährig an Leberverhärtung.

Zu jener Zeit war es bereit Sitte am Zarenhof, bei festlichen Banketten Wodka zu reichen: Brot und Schnaps, so begann das Gelage. Nicht anders war es bei religiösen Zeremonien, wohl mit dem Unterschied, dass die konsumierten Mengen geringer waren. Es galt als unfromm, in der Kirche das Wässerchen zu verweigern. Doch wer tat das schon? Katharina II („die Große“) schließlich, die aus deutschen Landen in das Bojarengeschlecht der Romanows einheiratete und später selber Zarin wurde, überreichte Staatsgästen und gekrönten Häuptern gern Wodka-Präsente. Immerhin stand gegen Ende des 18. Jahrhunderts russischer Wodka bei Kennern höher im Kurs als französischer Cognac. Kein Wunder, dass Goethe und Voltaire der Zarin ihre Dankbarkeit für ein so wertvolles Geschenk erwiesen, der schwedische Gelehrte und Naturkundler Carl Linné sah sich gar veranlasst, ein Traktat über den Nutzen des Wodkas zu verfassen.

Ob Russland die Wiege des Wodkas ist, niemand weiß es genau – außer den Russen. Eigentlich sei der Stoff in Polen zu Hause, meinen einige, andere wissen, dass es bereits im 11. Jahrhundert in Persien ein vergleichbares Getränk gegeben habe. Doch viel schöner klingt die Geschichte von dem Hochprozentigen aus dem Norden, wo das Wasser gefriert, doch der Wodka nie. Die skandinavischen Länder haben das Ihre getan, dem Getränk zum Siegeszug zu verhelfen. Während in Polen und Russland traditionell Gerste und Weizen der Vorzug gegeben wurde, ist der Grundstoff Kartoffel vornehmlich in Finnland und Schweden zu finden.

Der Destillationsprozess indes ist stets der Gleiche. Die Maische, der Rohstoffbrei, enthält nach der Gärung noch zahlreiche Aromen und Alkohole, die sich bei mehreren Destillierungsläufen verlieren, damit das Getränk seine Weichheit und Reintönigkeit erhält, vordergründigen Eigengeschmack mindert und je nach Rezeptur eine eigene Note erhält. Wasser kommt hinzu und mit dem Filtern vor der Abfüllung, häufig über Holzkohle, wird der Geschmack zusätzlich abgerundet. Daher ist auch dieses Verfahren oft Berufsgeheimnis der Brenner. ULRICH STEWEN

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