: Verschwindet der Ramsch?
Garantiezeiten des Handels sollen von drei Monaten auf zwei bis drei Jahre ausgedehnt werden. Die Verbraucherfreundlichkeit der Gesetzesnovelle dürfte erst vor Gericht geklärt werden. Kleine Händler sorgen sich um Regresslücke
von CHRISTIAN RATH
Der neue Wasserkocher war recht günstig. Er kostete nur 29,80 Mark im Supermarkt. Leider hielt er auch nur knapp ein Jahr. Solche Ramschware dürfte aber bald vom Markt verschwinden, denn ab Ende nächsten Jahres soll die gesetzliche Gewährleistungsfrist für neu gekaufte Waren auf zwei bis drei Jahre steigen. Bei herstellungsbedingten Mängeln könnte dann viel länger als bisher Umtausch oder Nachbesserung verlangt werden. Dies ist aus Verbrauchersicht der zentrale Punkt der von Justizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) geplanten Reform des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Bisher beträgt die gesetzliche Gewährleistungsfrist nur ein halbes Jahr. Wie stark die Gewährleistung konkret ausgeweitet wird, ist allerdings noch umstritten. In einer EU-Richtlinie, die bis Ende 2001 umzusetzen ist, wird eine Garantiezeit von mindestens zwei Jahren gefordert. Däubler-Gmelin will in Deutschland nun aber noch ein Jahr zulegen und im BGB eine Frist von drei Jahren vorsehen. Zur Begründung heißt es, dass künftig eine allgemeine zivilrechtliche Verjährungsfrist von drei Jahren geplant ist und diese dann auch im Kaufrecht gelten soll.
In dieser Übererfüllung der EU-Vorgabe sieht der Hauptverband des deutschen Einzelhandels (HDE) jedoch eine „große Belastung“. So rechnen etwa die Verkäufer von Unterhaltungselektronik mit zusätzlichen Servicekosten in Höhe von jährlich 200 Millionen Mark durch Däubler-Gmelins Zusatzjahr. Diesen Mehrkosten könnte sich der Handel allerdings leicht entziehen, denn der Entwurf des Justizministeriums sieht jetzt schon vor, dass die dreijährige Frist durch allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) auch wieder auf das EU-Mindestmaß von zwei Jahren verkürzt werden kann.
Doch auch die Steigerung von sechs Monaten auf zwei Jahre ist für Deutschland ein großer Schritt. „Die Güter werden langlebiger werden“, hofft Tobias Brönnecke von der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände, die in den geplanten Vorschriften ein neues „Leitbild“ sieht. Ob allerdings ein Defekt, der erst nach 15 Monaten auftritt, noch herstellungsbedingt war oder schon eine Folge normaler Abnutzung oder gar eines Bedienungsfehlers darstellt, müssen am Ende wohl häufig die Gerichte entscheiden.
„Die Verbraucher sollten auch realistisch sein“, betont Mathias Scherer vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie, „ein Billigprodukt ist eben nicht auf lange Haltbarkeit ausgelegt.“ Das sieht Verbraucherjurist Brönnecke allerdings anders: „Auch wenn ein Wasserkocher nur 29,80 Mark kostet, kann man künftig erwarten, dass er mindestens zwei Jahre hält.“
Setzt sich die verbraucherfreundliche Linie vor Gericht durch, dürften bestimmte Billigprodukte vom Handel erst gar nicht mehr angeboten werden. „Was zu viel Ärger macht, wird einfach aus dem Sortiment gestrichen“, erklärt Andreas Kammholz vom Bundesverband des deutschen Groß- und Außenhandels. Entscheidende Frage für den Handel ist, dass er auf den Kosten der Garantiefälle nicht sitzen bleibt. Für den Regress bei Großhandel und Herstellern sieht Däubler-Gmelins Entwurf zwar auch eine Drei-Jahres-Frist vor. Hier kann der Zeitraum per AGB allerdings auf bis zu einem Jahr verkürzt werden. „Das ist ein Riesenproblem“, klagt Einzelhandelsfunktionär Busacker, „hier entsteht für den Handel eine echte Gewährleistungsfalle.“ Wenn sich hier im Gesetzentwurf nichts mehr ändert, entscheiden am Ende die Machtverhältnisse in der Wirtschaft. Große Ketten wie Mediamarkt oder Metro können sicher günstige AGB-Regelungen gegenüber ihren Lieferanten durchsetzen, kleine Fachhändler werden versuchen, mit ihren Einkaufsgenossenschaften Druck auszuüben. Die Industrie lehnt eine einheitliche Gewährleistungsfrist jedoch ab, sie hätte im Verhältnis zu den Händlern am liebsten gar keine Vorgaben.
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