standbild: „Wer schreit, hat Unrecht“
„Sabine Christiansen“ zur „Homoehe“ (So., 21.45 Uhr, ARD)
In der Regel verkörpert ja diese Sendung die langweiligste Talkshow überhaupt. Eingeladen werden meist nur PolitikerInnen, die zu Themen sprechen, die sie öffentlich ohnehin gerade dominieren. Überraschendes ist hier noch nie ausgegoren worden; für das Publikum Erhellendes ebenso wenig. Diese Regel wurde Sonntag ein wenig außer Kraft gesetzt, und das lag überraschenderweise auch an der Moderatorin, die sich sonst gerne von den Tonangebern leiten lässt.
Geladen zum Thema „Homoehe“ waren Herta Däubler-Gmelin, Volker Beck, Norbert Geis – alle bekannt aus der freitäglichen Bundestagsdebatte zur Sache. Dann saßen da noch Patrick Lindner und sein Lebensgefährte sowie der Berliner Kardinal Sterzinsky, die lesbische Schriftstellerin Mirjam Müntefering und Hartmut Perschau, CDU-Mitglied in der Bremer Großen Koalition. (Die FDP dagegen fehlte, obwohl Gudio Westerwelle doch gut gepasst hätte.)
Was dagegen Perschau in dieser Runde zu suchen hatte, war dubios; bislang hatte er sich zur betreffenden Frage in keiner Weise profiliert. Hübsch war aber, wie er zusammen mit Geis ein ums andere Mal die gesetzlichen Regelungswünsche negierte: „Aber im Grundgesetz steht, dass nur Mann und Frau eine Familie sein können.“ Schon mal von Diskriminierung gehört, Union? So wird das nie wieder was mit der Macht. Und der Kardinal, zwar milde gestimmt, war ohnehin nicht auf der Höhe des Barmherzigen.
Die Justizministerin und auch Volker Beck stattdessen dementierten ganz entschieden, dass ihnen ein Händchen für das Naheliegend-Populäre abgehe. Nicht prinzipiell diskutierten sie, sondern pragmatisch: Es gab Missstände, also haben wir dieses Manko beseitigt. Früher waren es immer die Rechten, die pragmatisch von Theorien und Prinzipien absahen und die Welt nahmen, wie sie ist. Hier waren es die Linken, die der Union locker vorhalten konnten, sich in der wirklichen Welt wohl nicht mehr auszukennen.
Müntefering und Lindner – beide sehr entzückend, beide bekennende Profiteure des „Homoehen“-Gesetzes – wussten Geschichten aus dem Leben zu erzählen und bekamen dafür verdienten Applaus.
Am Ende fing CSU-Geis dann doch noch an, sehr laut zu werden, Christiansen wedelte wieder hilflos mit ihrem Papierbündel und Beck trat auf den Plan: „Wer laut wird, hat Unrecht.“ Und Geis? Der senkte den Kopf, als ob er hier einmal zustimmen wollte. JAN FEDDERSEN
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