: Im Prozess bieder
In Wuppertal stehen NPD-Politiker vor Gericht, weil sie eine Gedenkfeier an einem Mahnmal angriffen
WUPPERTAL dpa ■ Acht Knüppel, 18 Messer, eine Pistole und eine Tränengasdose mit der Aufschrift „Wehrt Euch Deutsche“ hat die Polizei beschlagnahmt. Die Angeklagten vor dem Wuppertaler Landgericht wollten ihre Waffen auf Nachfragen des Richters gestern nicht wiederhaben und winkten verlegen ab. Ihre Haare sind gewachsen, Bomberjacken und Springerstiefel verschwunden.
Die sieben Männer, die meisten sind oder waren NPD-Mitglieder, sollen nach einer brutalen Attacke auf eine Gedenkfeier an einem KZ- Mahnmal in Wuppertal beteiligt gewesen sein. Sie stehen wegen gefährlicher Körperverletzung und Landfriedensbruchs vor Gericht. Zwei Menschen wurden bei dem Überfall im Juli verletzt. Drei beteiligte rechte Jugendliche wurden deswegen schon zu Jugendstrafen von sieben Monaten Haft rechtskräftig verurteilt. Als mutmaßlicher Rädelsführer steht nun Thorsten Crämer vor Gericht, NPD-Parteifunktionär und Stadtrat in Schwelm.
Verteidigt wird er von dem Parteigenossen Hans Günter Eisenecker, dem stellvertretenden Bundeschef der NPD. Der Partei kommt der Prozess mitten in der Verbotsdiskussion offensichtlich sehr ungelegen. Dass NPD-Mitglieder im Stile der SA als faschistischer Prügeltrupp auch über alte Frauen und Kinder hergefallen sein sollen, würde beim Bundesverfassungsgericht keinen guten Eindruck hinterlassen. Mit allen Mitteln versucht Eisenecker den Verdacht zu zerstreuen, Rechtsextremist Crämer sei der Rädelsführer der Attacke gewesen. Als Asthmatiker sei sein Mandant zu so etwas gar nicht fähig.
Schuld an der Erregung seien natürlich die Linken, die ihn oft um den Schlaf brächten, berichtet Crämer. Wenn der Rechtsextremist das Wort ergreift, redet er sich fast um Kopf und Kragen: „Die von mir mitgebrachten Eier hatten rein passiven Charakter“, wagt der 25-Jährige zu behaupten. Man habe nur Präsenz zeigen wollen. Wie es dann zu dem „kollektiven Angriff“ gekommen sei, könne er sich nicht erklären.
Pech für die NPD: Die Angegriffenen konnten einen Neonazi festhalten und der Polizei übergeben. Die Autos der Schläger waren in der Nähe des Waldes geparkt, aus dem sie gestürmt kamen. Knapp 200 Meter entfernt beobachteten Polizisten den Angriff und konnten sofort die Verfolgung aufnehmen.
Mit einer Reihe von Beweisanträgen haben die Verteidiger einen Urteilsspruch am Freitag zunächst verhindert. NPD-Anwalt Eisenecker will nun sogar den Geisteszustand seines Mandanten zur Tatzeit untersuchen lassen. Die Angeklagten werden deswegen auch Weihnachten in Untersuchungshaft verbringen.
FRANK CHRISTIANSEN, DPA
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