: Unter Beschuss
Neue Vorwürfe gegen Außenminister: Bei Übergriffen auf Polizei 1976 war Fischer angeblich „Rädelsführer“
FRANKFURT/M. taz ■ Welch ein Event: Die Frankfurter Polizei präsentierte am Freitagabend den braven Beamten Rainer Marx, der am 7. April 1973 vom amtierenden Außenminister der Bundesrepublik Deutschland, Joschka Fischer, „zusammengeschlagen“ worden sein soll – am Rande einer Demonstration gegen Fahrpreiserhöhungen der Frankfurter Verkehrsbetriebe und gemeinsam mit Gesinnungsgenossen.
Sauer auf Fischer ist Marx heute nicht mehr. Was der nämlich in der Politik geleistet habe, wiege seine „Jugendsünden, die doch jeder so hat“, ganz sicher auf. Eine persönliche Entschuldigung allerdings stünde Fischer heute „gut zu Gesicht“. Die wird wohl bald kommen. Vielleicht bei einem Essen in Fischers Lieblingslokal in Berlin. „Ich bin jederzeit zum Gespräch bereit“, sagte der Minister in Bild am Sonntag. Das wird es dann gewesen sein.
Ob Joschka Fischer, der damals „Schulter an Schulter mit Mördern“ den Staat bekämpft habe, wie die hessische CDU in einer Presseerklärung schreibt, aber der Angreifer von damals ist, steht nicht einmal zweifelsfrei fest. Zu erkennen sei das „polizeiliche Gegenüber“ (Marx) mit dem schwarzen Helm nämlich nicht gewesen. Bei dem Handgemenge trug der Beamte nach eigenen Angaben Hautabschürfungen und Prellungen davon. Er erstattete Strafanzeige gegen unbekannt. Die Ermittlungen wurden eingestellt.
Inzwischen hat sich ein weiterer Polizist gemeldet: Er bezichtigt Fischer der „Rädelsführerschaft“ bei einer Frankfurter Demonstration, die im Mai 1976 nach dem plötzlichen Tod von Ulrike Meinhof in der Justizvollzugsanstalt Stuttgart-Stammheim stattfand. Im Verlauf der gewalttätigen Kundgebung war ein Molotowcocktail auf einem Polizeiauto gelandet, ein Beamter erlitt lebensgefährliche Brandverletzungen. Tatsächlich wurden Fischer und drei weitere „Tatverdächtige“ am Tag nach der Demo festgenommen. Eine Gegenüberstellung verlief aber ergebnislos. Nach 48 Stunden war Fischer wieder draußen.
Mit einem Tatvorwurf, so Fischer jetzt in einem Spiegel-Interview, sei er nie konfrontiert worden. Er habe das brennende Polizeifahrzeug nicht einmal gesehen. Alles alte Geschichten. Im Bundestagswahlkampf 1998 war Fischer sogar beschuldigt worden, den „Molli“ selbst geworfen zu haben. Fischer wies den Vorwurf empört zurück: „Ich übernehme nur Verantwortung für das, was ich getan habe.“
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT
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