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Betr. Uranmunition: Was verschweigt Scharping? Und was wusste Rühe?

Der Einsatz von urangehärteter Munition im Bosnienkrieg wirft neue Fragen auf sowohl an den Verteidigungsminister als auch an seinen Vorgänger. SPD-Abgeordnete: „Kriegsverbrechen“

GENF taz ■ Nicht nur der amtierende Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping (SPD), auch sein Vorgänger Volker Rühe (CDU) sollte sich zur Verwendung von Uranmunition bei Nato-Einsätzen für die kommenden Tage ein paar Antworten zurechtlegen.

Denn der Fall des nach einem Bosnieneinsatz im Jahre 1997 an Leukämie erkrankten Bundeswehrsoldaten Christian Büthe wirft neue Fragen auf – Fragen sowohl an Scharping wie an Rühe: zum Beispiel, seit wann und wie detailliert die Bundesregierung über den Einsatz urangehärteter (DU-)Munition durch die Nato gegen Ziele in Bosnien in den Jahren 1994 und 1995 informiert war. Oder: Welche Maßnahmen wurden zum Schutz der örtlichen Bevölkerung und deutscher Soldaten getroffen?

Der heute 24-jährige Uelzener Büthe war 1997 einige Monate im westbosnischen Mostar stationiert. Nach seiner Rückkehr 1998 musste er wegen einer – inzwischen geheilten – Leukämieerkrankung die Bundeswehr verlassen. Das Verteidigungsministerium schloss am Wochenende einen Zusammenhang zwischen Büthes Leukämie und der DU-Munition mit der Begründung aus, gegen Ziele in der Umgebung von Mostar sei derartige Munition nicht eingesetzt worden. Offen bleibt, woher und seit wann das Ministerium dies weiß – denn schon die Tatsache eines Einsatzes von DU-Munition gegen Ziele in Bosnien war bis Ende letzten Jahres völlig unbekannt.

Dass die USA und die Nato sie bis Ende 2000 nicht informiert hätten, haben die Regierungen Italiens, Portugals und anderer Nato-Staaten in den vergangenen Tagen bereits beklagt. Weder das Pentagon noch die Nato haben diese Kritik zurückgewiesen. Nato-Generalsekretär Lord Robertson kündigte hingegen am Freitag in einem Schreiben an die italienische Regierung eine umfassende Information der Allianzstaaten über die genauen Ziele und weitere Details des DU-Einsatzes in Bosnien an.

Öffentlich ist bislang lediglich bekannt, dass US-amerikanische Flugzeuge in Sarajevo und anderen Teilen Bosniens 1994 und 1995 insgesamt 10.800 Projektile mit zehn Tonnen DU verschossen haben. Die politische Verantwortung dafür tragen alle (damals noch) 16 Nato-Staaten. Verfügt das deutsche Verteidigungsministerium bereits über Informationen, die darüber hinausgehen? Und wenn ja, seit wann?

Solche Fragen sollen durch einen Untersuchungsausschuss des Bundestages geklärt werden, in dem „alle Karten auf den Tisch kommen müssen“. Das forderte die SPD-Abgeordnete Margot von Renesse, Vorsitzende der Ethikkommission des Parlaments, am Wochenende. Der Einsatz dieser Munition sei, so von Renesse, „ein Kriegsverbrechen“ und damit „möglicherweise ein Fall für einen internationalen Gerichtshof“. Ähnlich scheint dies auch die Chefanklägerin am Den Haager Tribunal, Carla Del Ponte, einzuschätzen: Sie kündigte für diese Woche eine Prüfung des Einsatz der DU-Munition an.

ANDREAS ZUMACH

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