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Es tickt verdächtig im Paket

Die Zeichen stehen schlecht für Premiere World. Auch das Weihnachtsgeschäft brachte keinen Aufschwung. Dennoch hält Leo Kirch an seinem Bezahlfernsehen fest – er hat keine andere Wahl

von STEFFEN GRIMBERG

Vielleicht sollten wir Leo Kirch einfach mal bewundern: Nicht wegen seiner publizistischen Überzeugungen und Nibelungentreue zum Exkanzler. Auch nicht unbedingt wegen ProSieben oder Sat.1. Sondern wegen Premiere World.

Seit einem guten Jahr ist das Kirch-Bezahlfernsehen im neuen Gewand unterwegs, mit Milliardeninvestitionen (Fußball, Formel 1, Filme) ins Programm und Millionen für die Werbung. Der Erfolg der jüngsten Abokampagne zu Weihnachten, noch einmal etwa 30 Millionen Mark teuer, ist offenbar wieder einmal nur mäßig: Von bisher gerade einmal rund 100.000 Neukunden berichtet Focus. Premiere World gibt sich zugeknöpft wie immer („Zu Gerüchten und Spekualtionen sagen wir nichts.“) und verweist auf die letzten offiziellen Zahlen von Oktober 2000: 2,2 Millionen Abonnenten waren es da. Gut drei Viertel empfingen das digitale Programmbouquet, 500.000 noch den analogen Kanal. 2,2 Millionen Abonnenten waren es eben aber auch schon zum Quartalsende im Juni und im August 2000.

Der Bundesliga-Start am 11. August – und damit die neue Ära der Premiere Sports World inklusive TV-Konferenzschaltung und Live-Übertragung aller Spiele – sollte eigentlich neue Kunden anlocken: Nach den jetzt von Premiere bestätigten Zahlen gab es aber in erster Linie wohl doch nur Umsteiger vom analogen auf den digitalen Dienst.

Mit analog ist jetzt ohnehin nach und nach Schluss: In Berlin ist das Signal bereits abgeschaltet, Ende Januar muss Premiere auch in Hessen den analogen Kabelplatz abgeben. „Das sind Beschlüsse der zuständigen Landesmedienanstalten und kein Fahrplan, den wir aufstellen“, sagt Premiere-Sprecherin Katrin Gogl: „Natürlich hätten wir den Zeitpunkt gerne selbst bestimmt.“ Immerhin: Auch für das digitale Signal liegt die technische Reichweite bei 80 Prozent.

Und gerade die digitalen Kunden machen den Wert von Premiere aus, hatte schon Markus Tellenbach, bis Herbst 2000 Geschäftsführer der Permiere-Muttergesellschaft KirchPay-TV KG, beteuert. Bis Ende 2000, wurde Tellenbach Anfang September zitiert, solle die Zahl der Digitalkunden auf über zwei Millionen steigen. Doch dieses jetzt offenbar nur knapp verpasste Ziel reichte für Tellenbach nicht mehr: Denn ebenfalls im September musste der Pay-TV-Chef die erwartete Gesamtkundenzahl deutlich drastischer nach unten korrigieren: Die beim Sports-World-Start erhoffen 2,9 Millionen Abos bis zum Jahresende seien nicht mehr zu erreichen, bekannte der Kirch-Mann in ungewohnter Offenheit. Und während am 25. September Berichte über ein baldiges Ende der Ära Tellenbach von der Kirch-Gruppe noch als „vollkommen haltlos“ zurückgewiesen wurden, präsentierte der Konzern fünf Tage später Tellenbachs Nachfolger Manfred Puffer.

Die weitere Entwicklung der Abozahlen lässt nun auch unter dem bisherigen Controller der Kirch-Holding zu wünschen übrig: Mindestens 3,5 Millionen zahlende Kunden, so die niedrigste Expertenschätzung, brauche das Pay-Angebot, um in die schwarzen Zahlen zu kommen – millardenschwere Anlaufverluste nicht eingerechnet.

Doch der deutsche Fernsehmarkt zeigt Pay-TV die kalte Schulter. Mit über 30 frei empfangbaren Kabelkanälen ist Deutschland weltweit ein Unikum. Dass sich die Kirch-Gruppe quasi im eigenen Haus noch reichlich Konkurrenz macht, führt zusätzlich zur Attraktivitätsverwässerung: Um Spielfilme balgen sich im Zweifelsfalle Sat.1, ProSieben und Premiere World, im Sportbereich muss auch das Deutsche Sportfernsehen noch etwas abbekommen. Das mag konzernintern zu ordentlichen Verwertungsketten teuer angekaufter Rechte führen. Doch für potenzielle Kunden leidet so die Exklusivität des Pay-Angebotes, selbst wenn ein Blockbuster wie „Titanic“ natürlich rund ein Jahr vor der Free-TV-Premiere im Bezahlfernsehen zu sehen war.

Auch die Angebotsvielfalt im digitalen Programm-Bouquet lässt sich so nur schwer als echtes Plus vermarkten. Dabei bietet Premiere World mit Sendern wie Discovery und Planet internationales Qualitätsfernsehen.

Und allen unerfreulichen Entwicklungen zum Trotz hält die Kirch-Gruppe an ihrer Pay-TV-Plattform fest. Vielleicht sollten wir sie wirklich bewundern.

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