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Krisenbewältigung auf Bayerisch

Nur nicht reinreden lassen: Edmund Stoibers halbherzige Reaktion auf die BSE-Krise ist bereits die zweite große Panne des Möchtegernkanzlers

von LUKAS WALLRAFF und STEFAN KUZMANY

Noch letzte Woche tat Edmund Stoiber, was er am liebsten tut: die Bundesregierung kritisieren. Unbeeindruckt von den BSE-Fällen in bayerischen Ställen brandmarkte er die Rücktritte der Bundesminister Fischer und Funke als Zeichen mangelnder Kontinuität. So etwas würde „die Glaubwürdigkeit der Politik verunsichern“. Stoiber hat seine beiden BSE-Verantwortlichen Josef Miller und Barbara Stamm auch gestern nicht hinausgeworfen. Sie dürfen bleiben, werden aber durch ein neues Verbraucherministerium – das erste seiner Art auf Länderebene – in ihren Kompetenzen beschnitten. Für Kontinuität ist gesorgt.

Eine Kontinuität der Verdrängung: seit 1990 – so belegt die Süddeutsche Zeitung in einer kürzlich veröffentlichten Chronik – hat der CSU-dominierte bayerische Landtag Antrag um Antrag abgeschmettert, der einen konsequenten Umgang mit Tiermehl und BSE verlangte. SPD und Grüne scheiterten regelmäßig mit dem Ansinnen, die Tiermehlverfütterung zu verbieten. Schnelltests? Brauchen wir nicht. Umfassende Information und Aufklärung über BSE durch die bayerische Tierärztekammer? Nicht doch. Bayern ist BSE-frei.

Nicht mehr. Als sich Edmund Stoiber kurz vor Weihnachten plötzlich mit Rinderwahn im eigenen Land konfrontiert sah, reagierte er hilflos. Anfang Januar versuchte er, seine Klientel, die Bauern, zu beschwichtigen: Nicht mehr die ganze Herde sollte geschlachtet werden, wenn in einem Stall BSE auftritt, sondern nur noch direkte Vorfahren und Nachkommen des betroffenen Rindes. Stoiber ging mal wieder einen bayerischen „Sonderweg“ – wie in Sachen Kruzifix und Abtreibung.

Auch Stoibers halbherzige Konsequenzen aus der BSE-Krise lassen sich wohl nur mit den bayerischen Gepflogenheiten beim Umgang mit Angriffen von außen erklären. So gehört es zum weißblauen Selbstverständnis, dass man sich nicht reinreden lässt. Grundsätzlich nicht. Und bei hausgemachten Krisen schon gleich gar nicht – je lauter die Sozi-Regierung in Berlin nach Rücktritten ruft, desto enger rückt Stoibers Kabinett zusammen. Die unfähigen Minister zu entlassen, würde in Bayern als Nachgeben und damit als Schwäche verstanden. Dazu kommt möglicherweise noch, dass Stoibers Intimfeind Theo Waigel den letzten Kotau der Ministerin vor dem Bauernverband kolportiert haben soll. Darauf zu reagieren, verbietet sich für Stoiber von selbst.

Solange sich Stoibers Minister ihm gegenüber loyal verhalten, können sie auf seine Treue zählen. So wie Stamm und Miller, von denen man noch nie ein kritisches Wort über den Ministerpräsidenten vernommen hat. Anders verhält es sich, wenn die eigenen Leute aufmüpfig werden. So teilte Stoiber seinem Duzfreund und Justizminister Alfred Sauter im September 1999 eiskalt per Handy mit, dass er gefeuert sei. Sauter hatte es vorher abgelehnt, die ganze Schuld an der Millionenpleite der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft LWS auf sich zu nehmen. Ja, Sauter wagte es sogar, auf die Fehler seines Herrn und Ministerpräsidenten hinzuweisen. Das ging zu weit. Durch die Unbotmäßigkeit seines Ministers geriet nicht nur Stoibers Image als cleverer Managertyp und kompetenter Macher in Gefahr. Seine Autorität als Chef war angekratzt. Da musste er durchgreifen.

Dummerweise ließ sich Sauter auch durch seine Entlassung nicht zum Schweigen bringen, drohte gar mit belastenden Aussagen vor dem Untersuchungsausschuss. Zum ersten Mal schien Stoiber nervös zu werden, auf einer eilends einberufenen Pressekonferenz scharrte er ungewohnt hektisch mit den Füßen unterm Tisch herum. Die Presse schrieb ihn schon als möglichen Kanzlerkandidaten ab. Seine eklatanten Fehler in der LWS-Affäre ließen sich schließlich nur deshalb unter den Tisch kehren, weil der Beamtenapparat schwieg und die bayerische Opposition alle Chancen verschlief. So erholte sich der Ministerpräsident rasch und stieg wieder zum Hoffnungsträger der Union auf. Auch die BSE-Krise schien ihm zunächst nicht viel anhaben zu können. Im Gegenteil: Das erste bayerische Opfer war die grüne Fraktionsvorsitzende Ruth Paulig. Sie kam Ende letzten Jahres auf die glorreiche Idee, einen Creutzfeldt-Jakob-erkrankten Mann vor die Pressekameras zu zerren und musste kurz darauf gehen. Weil kurz zuvor auch SPD-Chefin Renate Schmidt abgedankt hatte, stand Stoiber praktisch ohne Opposition da. Aber was die fordert oder nicht, ist in Bayern sowieso egal.

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