: Schussfahrt vom Ulrichsberg
Ein politisches Feature über Jörg Haider (FPÖ) im Deutschlandfunk blieb unvollständig, weil es ohne dessen SS-freundliche Äußerungen auskommen musste: Der ORF war nicht in der Lage, das Material zu liefern. Die Gründe dafür sind undurchsichtig
von HEIKO DILK
Ist es nur schlechte Organisation, ist es vorauseilender Gehorsam einiger Mitarbeiter oder vielleicht doch schlimmer. Wie immer, wenn es um Jörg Haider und die Kooperation mit ausländischen Rundfunksendern geht, tut der österreichische Rundfunk (ORF) sich schwer. Zuletzt im November vergangenen Jahres mit der BBC (siehe taz vom 15. 11. 2000). Und jüngst wieder im Zusammenhang mit einem politischen Feature im Deutschlandfunk (DLF).
Der Hamburger Publizist Günther Jacob und der Journalist Peter Kessen wollten das Feature „Steirisches Erz: Das Geheimnis des Bärentales. Oder: Wie postmodern ist Jörg Haider“ für NDR und DLF produzieren. Da lag es nahe, einmal beim ORF nach erbaulichen O-Tönen aus dem Haiderschen Zitatenschatz nachzufragen. So hat der Rechtspopulist 1995 auf dem SS-Veteranentreffen in Krumpendorf, Kärnten, gesprochen und ist alljährlich bei der Ulrichsbergfahrt der ehemaligen SS-Mitglieder dabei. Dem Anlass angemessen, hatte er sich dort natürlich auch positiv zur Waffen-SS geäußert. Das ist zum Teil filmisch belegt und wurde auch bereits gesendet. Allein, die O-Töne zu bekommen war Kessen und Jacob unmöglich. Dabei tauschen die europäischen öffentlich-rechtlichen Sender eigentlich ganz gern und unkompliziert Programme untereinander aus. Beim ORF hieß es aber zunächst „wir haben Material, jedoch muss ich erst prüfen lassen, ob es abgegeben werden darf“, so Maria Frank von ORF-Radio in einer E-Mail an Kessen. Die Aufnahmen seien aber für das Ausland gesperrt, beziehungsweise müsse der Journalist mit ORF Sales and Purchases, der Verkaufsabteilung für internationalen Programmhandel, verhandeln. Dort wiederum war nur zu erfahren, dass die Rechte an dem Material aus Krumpendorf bei der ARD lägen. Weil das Justiziariat des öffentlich-rechtlichen Senders gerade prüft, wer tatsächlich die Rechte an den Filmberichten hat, gingen Kessen und Jacob leer aus.
Wegen Haiders regelmäßiger Beteiligung an der Ulrichsbergfahrt, bezog sich die Anfrage an den ORF aber auf die Jahre 1995 bis 2000. In einer E-Mail Kessens an ORF-Radio vom 28. 11. 2000 hieß es bereits: „Wir suchen noch Material über Haiders Reden vor SS-Veteranen . . . (1995 aber auch in den folgenden Jahren).“ Im Dezember und Januar wandte Kessen sich mit dem gleichen Anliegen an Andrea Übellacker von ORF Sales and Purchases. Auch dort taucht ziemlich unzweideutig „1995–2000“ auf.
Eine Tatsache, die man beim ORF geflissentlich ignorierte. Peter Kessen: „Die stellen sich dumm.“ Auf Nachfrage der taz sagte Andrea Übellacker: „Meines Wissens ging es nur um das Jahr 1995. Was die späteren Jahre angeht, müsste ich noch mal nach schauen.“ Ein bisschen spät für Kessen und Jacobs – das Feature wurde gestern (6. 2.) ausgestrahlt.
Könnte diese Widerwilligkeit mit der Zusammensetzung von ORF-Kuratorium und Hörer- und Sehervertretung zusammen hängen? Die Gremien sind mit den hiesigen Rundfunk- und Verwaltungsräten der Sendeanstalten vergleichbar. Beim ORF sitzen dort auch Vertreter der Bundesregierung und der Parteien. Mit Hubert Gorbach und Peter Westenthaler sind beispielsweise zwei designierte FPÖ-Mitglieder im Kuratorium vertreten. Bei der Hörer- und Sehervertretung ist ein FPÖ-Mitglied dabei. 20 der 37 Mitglieder werden von der Bundesregierung nominiert. Im Kuratorium 9 von 35. Kurt Lukasek, Medienexperte der FPÖ: „Der Kurator hat da nur sehr wenig Einfluss. Der ORF ist in solchen Entscheidungen autonom, und das ist auch gut so.“ Der FPÖ wird es trotzdem ganz recht gekommen sein, dass die O-Töne in dem Feature fehlen.
Dabei hätte es laut ORF-Pressesprecher Thomas Prantner überhaupt kein Problem geben sollen: „Der ORF hat zum Teil in Ulrichsberg gefilmt. Wenn wir die Rechte für diese Aufnahmen haben, geben wir die auch gegen Entgeld an ausländische Stationen weiter.“ Der DLF bekam sie aber trotzdem nicht. Höchst sonderbar. Und im Hinblick auf die österreichische Medienlandschaft und die Monopolstellung des ORF mehr als bedenklich.
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