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Auch diese Geschichte wiederholt sich als Farce

Das „Denkmal 17. Juni 1953“ an der Leipziger Straße ist seit dem letzten Jahr eingeweiht, bleibt aber eingezäunt. Künstler droht mit Performance

Es ist längst fertiggestellt, eingeweiht und eröffnet. Aber für die Öffentlichkeit besteht nicht die Möglichkeit, es zu besichtigen. Eines der zentralen Denkmäler in der Stadt, das im Sommer vergangenen Jahres von dem Künstler Wolfgang Rüppel übergebene „Denkmal 17. Juni 1953“ auf dem Vorplatz des heutigen Finanzministeriums, ist seit Monaten eingezäunt – und wird erst einmal eingezäunt bleiben.

Der Grund für die Begrenzung liegt nicht – wie beim ebenfalls abgesperrten Garten des neuen Jüdischen Museums – in der Furcht vor Anschlägen, sondern in einer handfesten Bauposse. Für den 600 Quadratmeter großen Platz an der Ecke Leipziger Straße/Wilhelmstraße, in dessen Mitte das in die Erde versenkte 24 Meter lange und eine Million Mark teure Denkmal ruht, sind nach Aussagen der Berliner Bauverwaltung sowie des Bundesbauamts von der beauftragten Firma „die falschen Bodenplatten geliefert“ und verlegt worden.

Statt des grünen italienischen Perspentino „Verde Vittorio“ pflasterte das Unternehmen für rund 500.000 Mark einen ähnlich aussehenden Stein. In der Pflicht steht aber auch das Bundesbauamt, das die Platzgestaltung beauftragt, aber wohl nicht überwacht hatte.

Der Platz, nach einem Entwurf der Berliner Architektengruppe Jung/Piroeth/Schützger, ist Teil der Rüppel-Denkmals, dessen Rand mit dem italienischen Stein verziert ist und dessen Farbe sowie Struktur sich auf dem Platz fortsetzen soll.

Rüppel und die Architektengruppe hatten 1999 den Wettbewerb für das „Denkmal 17. Juni 1953“ gewonnen. Das Denkmal zur Erinnerung an den Arbeiteraufstand, der an der Leipziger Straße seinen Höhepunkt fand, gestaltete Rüppel als langes 3 mal 24 Meter großes und versenktes Foto demonstrierender Menschen. Das „unheroische Bild der Menge“, das verfremdet und unter einer Glasfläche platziert wurde, ruft eine räumliche Irritation hervor und kommentiert zugleich das ebenso große Wandbild Max Lingners im Stil des sozialistischen Realisums an der Platzwand.

Seit der Einweihung am 17. Juni des vergangenen Jahres irritert allein der Zaun. Das „Denkmal ist wegen der Entfernung weder zu erkennen noch begehbar“, sagte Rüppel. Es sei ein Skandal, dass der Zaun nicht abgetragen und die Fliesen seit fast einem dreiviertel Jahr nicht ersetzt worden seinen. Sollte bei seinem nächsten Berlin-Besuch sich der Zustand nicht verändert haben, wolle er – wie weiland die DDR-Bauarbeiter – zur „Selbsthilfe“ greifen, er denke dabei an eine Baggeraktion, um die Begrenzung niederzuwalzen, so der Künstler.

Dass es soweit kommen könnte, scheint möglich, stecken doch die Baufirma und das Bauamt im Clinch. „Das Verfahren schwebt noch“, erklärte der zuständige Referatsleiter Henfgen der taz. Der Platz werde „nicht abgenommen“, solange es „Unterbauprobleme“ gebe. Ob und wann diese „möglicherweise verändert“ und beseitigt würden, konnte Henfgen nicht sagen. Vielleicht nach dem Baggeraufstand Rüppels?

ROLF LAUTENSCHLÄGER

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