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Wish we were Brits

Im Streit um die WM-Fernsehrechte schauen ARD und ZDF begehrlich nach England. Dort müssen alle Spiele im Free-TV laufen. Doch die Kirch-Gruppe versucht gerade, das entsprechende Gesetz zu kippen

von STEFFEN GRIMBERG

Wenn man in der gegenwärtigen Debatte über die Übertragungsrechte der kommenden Fußballweltmeisterschaften nicht mehr weiter weiß, hilft der Blick ins Mutterland dieser Ballsportart: In Großbritannien steht Nationalfußball gewissermaßen unter Naturschutz, sämtliche Spiele aller Welt- und sogar die der Europameisterschaften müssen live im Free-TV gezeigt werden.

„Sehr sympathisch“, fand denn auch der ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen die Regelung und nutzte die jüngste Ausgabe von „Sabine Christiansen“ zur nochmaligen Darstellung seiner Sicht auf die so spektakulär gescheiterten Verhandlungen mit der Kirch-Gruppe. Weil man in-house diskutierte, bleib auch der Dissenz zwischen den einzelnen Anstalten außen vor, obwohl NDR-Intendant Jobst Plog in der Welt am Sonntag noch einmal nachgelegt und sich selbst als Verhandlungsführer für mögliche neue Runden empfohlen hatte. Dazu scheint es vorerst ohenhin nicht zu kommen: Auch wenn Pleitgen Optimismus („Man sieht sich oft zweimal!“) predigte, bleibt die Absage der Kirch-Gruppe auf derartige Avancen: „Da wir nicht aus der Tür gegangen sind, müssen wir auch nicht wieder reinkommen“, so Kirch-Vize Dieter Hahn.

Wo Hahn allerdings den „reichhaltigen deutschen Privatfernsehmarkt“ ausmacht, der sich jetzt um die Rechte balgt, wurde nicht vertieft, und die RTL-Sendergruppe war in der Runde gar nicht präsent.

Übrigens ebenso wenig wie jemand, der über die tatsächliche Lage der Dinge in Großbritannien Bescheid wusste: Während der deutsche Anhang zum Rundfunkstaatsvertrag umständlich eine Definition von „Großereignissen“ versucht („Ereignisse von erheblicher gesellschaftlicher Bedeutung“), um danach ausschließlich von Fußball zu handeln, schreibt Teil IV des Broadcasting Acts von 1996 immerhin eine gewisse Bandbreite von Sportereignissen fest, deren „full live coverage“ geschützt ist (siehe Kasten). Anders als in Deutschland gibt es auch ausdrücklich eine Schutzliste für Zusammenfassungen bzw. zeitversetzte Zweitausstrahlungen im Free-TV, die auch internationale Leichtathletik-Wettbewerbe, Golf und – Cricket umfasst.

Gegen diese Bestimmungen klagt derzeit – Kirch. Sein Unternehmen will die WM in Großbritannien per Auktion an den höchsten Bieter bringen. Dennder dürfte mit hoher Sicherheit BSkyB heißen, und mit Rupert Murdochs hochprofitabler Pay-TV-Plattform kennt Kirch sich aus: Schließlich gehören Murdoch über BskyB auch rund 22 Prozent von Premiere World.

Zwar verhandelt die Kirch-Gruppe im Free-TV-Bereich parallel mit der öffentlich-rechtlichen BBC und der privaten Senderkette ITV, doch vor dem Europäischen Gerichtshof versucht das Medienunternehmen gleichzeitig, die gesamte britische Schutzliste als unvereinbar mit europäischem Recht zu kippen.

Im eigenen Land gibt man sich konzilianter: 24 bis 25 Spiele der WM 2002 – mehr als die bei deutscher Beteiligung bis zum Schluss gesetzlich erforderlichen 12 – sollen live im Free-TV übertragen werden, versicherte Hahn. Schützenhilfe kam in Gestalt von Bayer-Leverkusen-Manager Calmund, der bei „Christiansen“ wohl Fußballverstand einbringen sollte: Live-Spiele der Asien-WM 2002 ohne deutsche Beteiligung seien wegen der Zeitverschiebung doch eher uninteressant, so Calmund: „Der Arbeitslose, der um 12 Uhr mittags zusieht, der kann Japan gegen Korea gucken.“

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