: CDU sucht Krawall
Die Union verlangt den Rauswurf von Umweltminister Trittin, weil er den Generalsekretär Meyer mit Skinheads verglich. Beim „Rentenplakat“ waren die Christdemokraten weniger zimperlich
Der Skinhead-Vergleich
Montag, 12. März 2001: In einem Interview mit dem WDR sagt Umweltminister Jürgen Trittin über den CDU-Generalsekretär: „Laurenz Meyer hat die Mentalität eines Skinheads und nicht nur das Aussehen.“ Meyer habe bekundet, er sei stolz, ein Deutscher zu sein. „Das ist so die Flachheit, der geistige Tiefflug, der jeden rassistischen Schläger in dieser Republik auszeichnet.“
Dienstag, 13. März: CDU/CSU-Fraktionschef Friedrich Merz fordert Bundeskanzler Gerhard Schröder auf, Trittin wegen dessen „unflätigem Angriff“ zur Ordnung zu rufen. Meyer fordert von Trittin schriftlich eine Entschuldigung und setzt dem Minister dafür eine Frist von 24 Stunden. CSU-Generalsekretär Thomas Goppel sagt über Trittin: „Nur einem ausgesprochen kranken Hirn kann eine solche Formulierung entspringen.“
Dienstagabend: Trittin schreibt an Meyer: „Einige Passagen in meinem Interview sind [. . .] von Ihnen als persönlich verletzend empfunden worden. Dies lag nicht in meiner Absicht.“ Zugleich hält er an seiner Kritik fest. Es seien „die deutschtümelnden Töne von Ihnen und Ihrer Partei, die bei mir immer wieder Unverständnis und Empörung auslösen“.
Mittwoch, 14. März: Nach Angaben aus Regierungskreisen sagt Kanzler Schröder in der Kabinettssitzung: „Das Beste wäre, sich schlicht und einfach zu entschuldigen“. Mittwochvormittag: Trittin lässt seinen Sprecher mehrmals vor der Presse erklären: „Ich nehme meine Äußerung mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück und entschuldige mich.“ Die Unionsfraktionsspitzen fordern den Kanzler schriftlich auf, Trittin „zur Entlassung vorzuschlagen“.
Mittwochnachmittag: Regierungssprecher Heye erklärt, mit der Entschuldigung Trittins sei die Rücktrittsforderung „aus der Welt“. CDU-Chefin Angela Merkel erklärt, eine „lapidare Entschuldigung“ reiche nicht aus.
Das Rentenplakat
23. Januar 2001: CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer präsentiert ein Plakat, das drei Fotos von Bundeskanzler Schröder (SPD) im Stil der Straftäterdateien der Polizei zeigt. Die Bilder tragen die Beschriftung: „Rentenbetrug 1: AZ 1999“, „Rentenbetrug 2: AZ 2000“ und Rentenbetrug 3: AZ 2001“. SPD-Fraktionschef Struck nennt die Plakatvorstellung eine „unanständige Aktion“. Schröder spricht von einer „infamen Kampagne“. CDU-Fraktionschef Merz sagt: „Die Damen und Herren sollten nicht so zimperlich sein.“
24. Januar: SPD-Generalsekretär Müntefering fordert, die CDU müsse das Plakat „umgehend einstampfen“ lassen. CDU-Chefin Merkel erklärt: „Wir wollten niemanden beleidigen.“ Mittags zieht Meyer das Plakat zurück: „Wir werden es nicht weiter einsetzen.“ Offenbar sei es missverstanden worden. Er bedauere dies. Regierungssprecher Heye fordert eine Entschuldigung.
24. Januar, abends: Meyer und Merkel lehnen eine Entschuldigung ab. Merkel sagt, ihre Partei habe mittlerweile deutlich gemacht, dass sie niemanden kriminalisieren wolle. Daher könne jetzt die Debatte darüber beendet werden, „was andere vielleicht gefühlt haben“.
25. Januar: Meyer sagt, die Opposition müsse „provozieren“, um überhaupt Gehör zu finden. Die SPD solle sich „nicht so aufspielen“. Schröder findet, eine Entschuldigung wäre „wünschenswert“.
26. Januar, im Bundestag: Merkel sagt erneut, die CDU habe niemanden kriminalisieren wollen: „Dass es so verstanden werden konnte, bedauere ich.“
Sonntag, 28. Januar: Meyer bietet der SPD ein „Fairness-Abkommen“ an. Müntefering erwidert: „Ich finde das unglaublich, dass Sie sich jetzt hier mit einem unschuldigen Gesicht hinsetzen und das vorschlagen. Das hättet ihr euch vor einer Woche überlegen sollen, dann hätten wir das Plakat nicht gehabt.“
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