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Die Retter suchen Rettung

Eine Finanzspritze für die Bankgesellschaft in Höhe von vier Milliarden Mark ist für den Landeshaushalt der goldene Schuss: Hilfe vom Bund und höhere Verschuldung nicht ausgeschlossen

von ANDREAS SPANNBAUER

Die Krise der Bankgesellschaft Berlin bringt das Land endgültig an den Rand der Zahlungsunfähigkeit. Nach Ansicht des SPD-Fraktionsvorsitzenden Klaus Wowereit erfüllt die Hauptstadt die Voraussetzungen einer „extremen Haushaltsnotlage“. Wowereit wollte nicht mehr ausschließen, dass Berlin nun Finanzhilfe beim Bund beantragen muss. „Wir befinden uns mitten in der größten Krise der Berliner Landespolitik“, so Wowereit.

Zuvor war bekannt geworden, dass das Land möglicherweise mindestens vier Milliarden Mark aufbringen muss, um die mehrheitlich landeseigene Bankgesellschaft Berlin vor dem Konkurs zu retten (siehe Kasten). Wowereit ging daher davon aus, dass der Nachtragshaushalt für das Jahr 2001 nicht wie geplant am kommenden Dienstag beschlossen werden kann. Der SPD-Fraktionsvorsitzende griff Finanzsenator Peter Kurth (CDU) scharf an. Dieser sei „offensichtlich von falschen Zahlen ausgegangen“ und habe Verluste „windig und dubios schöngeredet“. Kurth war noch am Freitag von einer Kapitalaufstockung in Höhe von zwei bis drei Milliarden Mark ausgegangen.

Der Sprecher der Finanzverwaltung, Klaus Dittko, sagte, es sei noch offen, ob es wegen der Bankenkrise zu einer Erhöhung der Nettoneuverschuldung komme. Der Nachtragshaushalt in Höhe von 675 Millionen solle wie geplant am kommenden Dienstag verabschiedet werden. Der Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) hält dagegen eine höhere Neuverschuldung für nahe liegend: „Für den Fall, dass Gelder unmittelbar eingeschossen werden müssen, ist die Frage einer Kreditaufnahme nicht ausgeschlossen, sondern das Wahrscheinliche.“ Bisher hatten alle Parteien dies abgelehnt. Allerdings ist die Höhe der Nettoneuverschuldung durch die Verfassung begrenzt: Sie darf die Höhe der Investitionsausgaben nicht übersteigen.

In der SPD schließt man nicht mehr aus, dass Berlin den so genannten „Haushaltsnotstand“ erklären und zusätzliche Finanzhilfe beim Bund beantragen muss. In der Vergangenheit hatten Bremen und das Saarland solche Bundeshilfen vor dem Bundesverfassungsgericht eingeklagt, im Gegenzug aber ihre Haushaltshoheit an den Bund abgegeben. „Finanzsenator Kurth sollte mit seinem Kollegen Hans Eichel sprechen“, forderte Wowereit. Angesichts der „dramatischen Situation“ müssten nun „alle Möglichkeiten geprüft werden“. SPD-Landesvize Andreas Matthae warnte jedoch davor, dass im Fall einer Bundeshilfe ein noch härteres Sparen – etwa betriebsbedingte Kündigungen im öffentlichen Dienst – bevorstehe.

SPD-Landeschef Peter Strieder sagte, durch die Bankenkrise seien alle Erfolge der Konsolidierungspolitik der vergangenen Jahre verspielt worden. Strieder äußerte den Verdacht, es sei beim Missmanagement in der Bankgesellschaft zu Straftaten gekommen: „Ich glaube, das ist auch ein Fall für den Staatsanwalt.“ Wowereit schloss nicht aus, dass auch der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende und ehemalige Chef der Bankgesellschaftstochter Berlin-Hyp, Klaus Landowsky, zur Rechenschaft gezogen werden könnte. Die Fraktionsvorsitzenden der Grünen, Sibyll Klotz und Wolfgang Wieland, forderten ebenfalls, „Regressforderungen gegenüber Landowsky zu prüfen“. Landowsky müsse auch sein Mandat im Abgeordnetenhaus und den Posten als stellvertretender CDU-Landesvorsitzender niederlegen. Die Bankenkrise sei ein „Mega-GAU für das Land Berlin“. PDS-Fraktionschef Harald Wolf sprach sich für einen „schonungslosen Kassensturz“ aus. Dieser sei für die „notwendigen Verhandlungen mit dem Bund“ unumgänglich.

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