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Bergmann droht mit Gesetz

Obwohl alle ökonomischen Daten dafür sprechen, weigert sich die deutsche Wirtschaft weiter, Frauen zu fördern. Ministerin Bergmann zeichnet Ausnahmeunternehmen aus

BERLIN taz ■ Bitter blickt die Frauenministerin: „Ich muss zugeben: Ich bin frustriert“, bekennt Christine Bergmann. Anfang der Woche hatte sie mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft über die von Kanzler Schröder verfügten „freiwilligen Vereinbarungen“ zur Gleichstellung von Frauen in den Betrieben verhandelt. „Aber da kommt nichts, gar nichts“, musste sie feststellen und drohte an: „Nun sind wir wieder bei der Frage nach gesetzlichen Regelungen.“

Dass diese Sinn hätten, zeigte sich am Mittwoch, als Bergmann Unternehmen auszeichnete, die sich besonders um die Gleichstellung bemühen. Ein „Total E-Quality“-Prädikat bekommt, wer aus einem umfangreichen Katalog eine bestimmte Anzahl von Maßnahmen zur Gleichstellung vorweisen kann – wie flexible Arbeitszeiten oder Kinderbetreuung für MitarbeiterInnen. Der gute Grund für eine gesetzliche Regelung: Nur vier neue Preisträger fanden sich, zehn andere bewarben sich nur um die Erneuerung des Prädikats, das seit 1997 verliehen wird. Neu haben das Prädikat das FrauenComputerZentrum Berlin, das Fachinformationszentrum in Karlsruhe, eine Werbeagentur und eine Stadtverwaltung erhalten.

Dass Gleichstellungsregeln nur eine Sache für Großunternehmen sind, widerlegen nicht nur die bisherigen Prädikatsträger: Neben VW, Lufthansa, Schering oder Bayer, der Post und der Bahn sind auch Mittelständler dabei. Die meisten kleineren Betriebe kommen allerdings aus der Dienstleistungsbranche, einer klassischen Frauendomäne. Hier scheint es leichter zu sein, etwa flexible Arbeitszeiten zu vereinbaren, als in technischen Betrieben. „Wir haben die Liste angeguckt und überrascht festgestellt: Das machen wir ja sowieso alles“, bestätigte dies der Geschäftsführer der Werbeagentur Breuer und Schröder aus Mülheim/Ruhr.

Übereinstimmend erklären die bisher rund 50 Preisträger, dass sich Kosten und Aufwand für die Gleichstellung voll auszahlen. Mit ein bisschen Entgegenkommen bei der Arbeitszeitgestaltung und Bemühungen, Eltern in der Babypause durch eine Teilzeitstelle und Weiterbildung ans Unternehmen zu binden, kann man das Potenzial der Frauen, die heute oft besser qualifiziert sind als ihre männlichen Mitbewerber, voll ausnutzen, stellten sie fest. Der Krankenstand sinkt und Eltern bleiben länger im Unternehmen, das spart Anwerbe- und Einstellungskosten. „Wer für Eltern nichts tut, verliert regelmäßig hoch qualifizierte Arbeitskräfte“, resümierte auch Frauenministerin Bergmann. Denn nicht nur Frauen verlassen gequält Betriebe, die Elternschaft schwierig machen, sondern seit einiger Zeit auch Männer. Die wollen nämlich auch mal Zeit für ihren Kinder haben. HEIDE OESTREICH

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