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berliner szenenS-Bahn-Lauschen

Kommste mit?

Schlimm: morgendliche Kinderüberfälle in öffentlichen Verkehrsmitteln. Die S-Bahn, von Oranienburg kommend, rollt in die Station, die Türen öffnen sich und „Annika, hier!“-„Stevie, da ist noch was frei!“-Rufe stören die morgendliche Zeitungsandacht. Eastpak-Rucksäcke werden einem gegen die Hüfte gequetscht, Tupperdosenverschlüsse klacken, Walkman-Kopfhörerdrähte werden diagonal durch das eben noch beschauliche Abteil gereicht. Der Morgen ist gelaufen.

Es gibt Abstufungen, zugegeben. Sehr laut, aber süß sind Kitagruppen. Sind wirklich so kleine Hände, die ihre Felix-Rucksäcke aufschnüren und Milchschnitten auspacken. Auch kleine Füße, die ziellos immer wieder gegen meine – an diesem Tag sicher – helle Hose rudern. Über allem wacht die Betreuerin, die die Brut aus unerfindlichen Gründen grundsätzlich beim vollständigen Namen ruft: „Lisaneumann und Lucastrachtenhagen, aber den Finger aus der Nase!“, ruft sie in diesem beherrscht freundlichen Ton durch den Waggon.

Da ich allmorgendlich exakt 45 Minuten S-Bahn fahre – vom Stadtrand über Frohnau und das graue Märkische Viertel hin zur Stadtmitte –, sind meine Erfahrungen breit gefächert. Ich habe erlebt, wie die aktuelle Bravo-Lovestory kreischend durchdiskutiert wird, kleine – wirklich kleine – Jungs Feuer für ihre Zigarette fordern, Mädchen mit Zahnpastaresten im Mundwinkel versonnen in ihrem Bio-Hefter blättern. Heute sind es drei etwa 16-jährige Mädchen, eingestiegen in Hohen Neuendorf, die meine Aufmerksamkeit beanspruchen. Hier sind ihre Top-Themen: 1. Ess-Brech-Sucht, 2. Waffen, 3. Kommst-du-mit-zur-Stellwerk-Party?

1. „Ick behalt ja nüscht mehr drin“, sagt die Dunkellockige. „Weiß auch nich. Meine Mutter hats noch nicht gemerkt. Aber mein Freund hat gesagt, er lädt mich nicht mehr ein, wenn ich eh alles auskotze.“ – Schweigen – „Kommst du am Wochenende mit zur Party ins Stellwerk?“, fragt die Pummelige. „Ich weiß nicht, mein Vater ist ja immer so beschissen.“

2. „Kommst du denn dann mit zur Stellwerk-Party?“, fragt die Pummelige nun die Blonde. Die zieht an ihren gold lackierten Kunststofffingernägeln. „Also, Friedrichshain . . . bin ich nicht sicher. Da ist ja Kreuzberg nicht weit, die janzen Ausländer. Mike Brabasch nimmt jetzt immer ne Pistole mit, wenn er nach Kreuzberg muss. Findick aber feige“ – „Mein Freund hat mir auch seine Waffe gezeigt“, wirft die Dunkellockige ein. „Ne illegale Waffe?“ „Natürlich illegal!“ Das Mädchen senkt nicht einmal die Stimme. „Die hat er sich gekauft, als er noch Leute abgezogen hat. Jetzt nur noch zur Selbstverteidigung.“ – „Trotzdem: feige!“, beharrt die Blonde.

3. Die Pummelige ist eingenickert. Die Dunkellockige beugt sich vor. „Kommst du mit zur Stellwerk-Party?“, fragt sie leise die Blonde. ANJA MAIER

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