: Fischer prüft G-8-Prügel
Auswärtiges Amt untersucht Vorwürfe gegen italienische Polizei. Mehrheit der Deutschen wieder auf freiem Fuß. Neue Berichte über Schläge und Psychoterror in Polizeigewahrsam. Auch Briten misshandelt. Italienisches Parlament lehnt Untersuchung ab
BERLIN/GENUA taz ■ Die Misshandlungen von Demonstranten durch die italienische Polizei während des G-8-Gipfels in Genua sollen nicht folgenlos bleiben. Das Auswärtige Amt erklärte gestern in Berlin, es prüfe, ob es beim Polizeieinsatz gegen die Globalisierungskritiker Übergriffe und Rechtsverstöße gegeben hat. „Wir“, drohte ein Sprecher sanft, „gehen dem nach und werden, wenn wir ein umfassendes Bild haben, gegebenenfalls mit den italienischen Behörden sprechen.“ Untersucht werden sollten die Razzia im Genoa Social Forum sowie die Bedingungen im Polizeigewahrsam. Offen ließ der Sprecher, welche Konsequenzen Italien befürchten müsste, sollte sich Fischers Ministerium der Auffassung zahlreicher Augenzeugen, Verletzter und Inhaftierter anschließen, die Polizei habe vorsätzlich Menschenrechte verletzt.
Von den 71 festgenommenen Deutschen waren gestern 50 wieder auf freiem Fuß, wie die deutsche Generalkonsulin in Genua Ute Mayer-Schahlburg der taz bestätigte. Sie hoffte, dass nach den Haftprüfungsterminen am Abend weitere Gefangene freigelassen würden. Die Junge-Welt-Redakteurin Kirsten Wagenschein berichtete von Schlägen und Psychoterror bei den Verhören. Nach ihrer gestrigen Freilassung wurde sie mit fünfjährigem Einreiseverbot belegt. Von „Schlägen bis zur Bewusstlosigkeit“ berichteten auch fünf freigelassene Briten gegenüber BBC.
Die grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele und Annelie Buntenbach sprachen nach ihren Besuchen im Gefängnis Pavia sowie beim Polizeipräsidenten von Genua von „Massakern“ der Polizei und drängten abermals darauf, die Vorgänge durch eine internationale Untersuchungskommission prüfen zu lassen. „Mitteleuropa muss zeigen, wie es mit Demokratie und Freiheit umgeht“, sagte Ströbele. Polizeipräsident Francesco Collucci verteidigte die Razzia als „gerechtfertigt“. Die Polizei habe sich nur gegen Übergriffe von Gewalttätern verteidigt.
Unterdessen veröffentlichte die Zeitung Secolo XIX Auszüge aus einem Geheimdossier der italienischen Polizei, wonach an den Ausschreitungen in Genua auch bewaffnete Rechtsextremisten beteiligt waren. Das italienische Parlament lehnte eine Untersuchung der Polizeiübergriffe ab. Die oppositionelle italienische Linke forderte erneut den Rücktritt von Innenminister Claudio Scajola. Ein Misstrauensantrag gegen ihn soll am 3. August im Senat behandelt werden.
J. K., HH
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