piwik no script img

Teure Neugierde bei Handys

Ruf doch mal an: Geld verlieren durch SMS mit Bitte um Rückruf. Dubiose Nummernmieter gehen meist straffrei aus. Löschen bleibt einzige Lösung

HAMBURG taz ■ Sonntagabend, kurz vor Mitternacht. Das Handy meldet aus der Tasche: Jemand hat eine SMS geschickt. Igorieren? Nicht viele Leute haben die Nummer, und jetzt um diese Zeit? Könnte wichtig sein. „Hallo Sandra“ steht auf dem Display – aha, ein Vetrauter – „ich habe versucht, Dich zu erreichen, leider ohne Erfolg. Bin ab 8 hr oder später unter 0190821984 zu erreichen. MfG www.t-online.de“.

Was soll das? Anrufen? 0190? Das sind doch die teuren Nummern. Am nächsten Morgen ist die Neugier doch zu groß: Unter der angegebenen Telefonnummer jagt ein schlechter Witz den nächsten. Warteschleife? Kommt da jemand? Offenbar nicht, das Zuhören ist der Zweck. Denn damit verdienen im Dickicht des Telekommunikationsdschungels verborgene Geschäftemacher minutenweise Geld.

Ein Anruf bei der Verbraucher-Zentrale Hamburg bringt etwas Aufklärung, aber keine Hilfe: „Wir kapitulieren“, sagt Edda Castello. Täglich erzählten irritiert-genervte VerbraucherInnen Geschichten von SMS und Faxen mit Rückmeldeaufforderung. Die Verknüpfung mit dem Vornamen sei das Neueste. „In dem Moment, in dem man die Nummer anruft, ist man schon reingefallen“, sagt Edda Castello.

Wer „die“ sind, ist kaum herauszufinden. „Niemand hat einen Überblick, denn Nummern werden über vier, fünf Stationen weiterverkauft oder -vermietet“, sagt sie. Bis man die Urheber herausgefunden hätte, sei die Nummer längst gesperrt, „die laufen meist nur einige Wochen“. Die Verbraucher-Zentrale rät, Botschaften dieser Art sofort zu löschen und sich nicht weiter darum zu kümmern. Das gelte auch für SMS, die behaupten, man habe einen Reisegutschein gewonnen. „Am Ende ist das nur eine Teilleistung oder man muss dazu noch eine Zeitschrift abonnieren“, sagt die Verbraucherschützerin. Die Verbraucher-Zentrale empfiehlt, der Regulierungsbehörde für Telekommunikation in Bonn schriftlich mitzuteilen, dass mit der entsprechenden Nummer Missbrauch betrieben werde und sie diese Nummer bitte sperren solle.

Die Suche nach demjenigen, der vermutlich unter www.telefonbuch.de die Verknüpfung von „Sandra“ und Nummer herausgefunden hat, beginnt also bei der Regulierungsbehörde in Bonn. Deren Pressesprecher, Rudolf Boll, versichert die völlige Unschuld seiner Behörde und erklärt: „Wir vergeben die Nummern blockweise an Telekommunikationsunternehmen, die verkaufen sie weiter.“

An wen die Behörde die betreffende Nummer vergeben hat, kann man immerhin im Internet unter www.regtp.de nachlesen. In diesem Fall ist es die DTMS AG aus Mainz. „Der Spezialist für Servicerufnummern“, erfährt man in der Warteschleife. „Wir gehen offensiv mit dem Thema um“, sagt ein forscher DTMS-Manager, der zunächst mal die völlige Unschuld seines Unternehmens versichert. Als Netzbetreiber seien sie ja nicht für die Inhalte der Kunden verantwortlich. Allerdings verdient auch DTMS an jedem Anruf mit der 0190er Nummer. Der Löwenanteil jedoch geht an den Kunden. Und der würde nun umgehend sanktioniert, „das reicht von der Abmahnung bis zur Abschaltung der Nummer“, versichert der Manager.

Das schwarze Schaf ist in diesem Fall ein Mann aus Oldenburg, der sich am Handy mit „Ja, alles klar“ meldet. Natürlich habe er mit der Sache nichts zu tun, ein Kollege vielleicht. Naja, da habe sich schon mal jemand beschwert, wegen der SMS. Aha.

Auch für die Datenschützer sind die „Ruf doch mal an“-Botschaften ein Ärgernis: „Holt sich ein anderes Unternehmen Namen und Nummer aus einem der Telefonverzeichnisse, kann man dagegen nur mit einem Widerspruch etwas machen“, sagt Peter Schaar, Datenschützer aus Hamburg. Er rät, sich aus dem Verzeichnis streichen zu lassen. Das verhindert allerdings nicht die zufällig gestreuten Botschaften, die sich an Nummern, aber nicht an Namen richten.

SANDRA WILSDORF

Die Telekom-Nummer, unter der man erfährt, wer sich hinter der jeweiligen 0190er Nummer verbirgt: 08 00-3 30 19 00.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen