DIE NEUE STAATSAUFSICHT FÜR DEN FINANZSEKTOR REICHT NICHT: Nachholende Modernisierung
Es war ein überfälliger Schritt. Gestern beschloss das Bundeskabinett, ein neues Aufsichtsamt für den Finanzsektor zu gründen. Ein Jahrzehnt nachdem Banken und Versicherungen begonnen haben, ihre Unternehmen zu modernisieren und ihre Geschäfte zu verschmelzen, hat die Politik nun nachgezogen. Sie dokumentiert damit, dass sie nicht gewillt ist, ausschließlich auf die Selbstregulierung der Wirtschaft zu vertrauen. Kontrolle muss sein – doch die alte Struktur der staatlichen Aufsicht hatte nur noch wenig Sinn. Bisher prüfte das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen die Banken, das Amt für das Versicherungswesen war für die Zwillingsbranche zuständig. Fusionieren aber die Unternehmen, müssen auch die Kontrollinstitutionen verschmelzen. Nur das stellt sicher, dass die rechte Hand weiß, was die linke tut.
Trotzdem reicht die Reform der Finanzmarktaufsicht bei weitem nicht aus, um die neuen Entwicklungen im Griff zu behalten – die Finanzmärkte sind schon wieder weiter. Augenfällig wird dies am Beispiel des Dritten im Bunde, des bisherigen Aufsichtsamtes für den Wertpapierhandel. Hier genügt es nicht, die Behörde einfach mit den anderen unter einem gemeinsamen organisatorischen Dach zu vereinen. Die Kontrolle der Börsen braucht neue Grundlagen und Kompetenzen. Den Angestellten des neuen Amtes werden auch in Zukunft oft die Hände gebunden sein. Gegen Aktiengesellschaften, die falsche Informationen herausgeben und ihre Kurse zum Schaden der Anleger manipulieren, werden sie nicht viel mehr tun können als bisher. Das Amt braucht bessere Möglichkeiten, sich Einsicht in Firmenunterlagen zu verschaffen, und es braucht auch mehr Personal. Ferner müssen die Gesetze so geändert werden, dass Aktionäre leichter Schadenersatz von Firmenvorständen einklagen können, wenn diese durch illegale Aktionen Anlegervermögen vernichten.
An diesen und anderen Punkten ist die Bundesregierung der Herausforderung nicht gerecht geworden, den Finanzmärkten einen modernen Rahmen zu geben. Es bleibt noch viel zu tun, bis das deutsche Aufsichtsamt ähnlich wirksam handeln kann wie die SEC, ihre große Schwester in den USA.
HANNES KOCH
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