cdu berlin: Kleiner Schaden oder Rücktritt
Jetzt ist es für die Berliner CDU noch schlimmer gekommen. Durch Äußerungen in seiner Jugend und seine ungeschickte Reaktion könnte sich die Nachwuchshoffnung der Union für das Amt des Regierenden Bürgermeisters, der 35-jährige Frank Steffel, um seine politische Karriere bringen, bevor diese richtig losgegangen ist. Steffel versprach, die einstmals so stolze Hauptstadt-Union, die durch die Krise der Berliner Bankgesellschaft schwer gebeutelt ist, wieder politikfähig zu machen. Doch Steffels Projekt der Erneuerung droht jetzt zu scheitern – an ihm selbst.
Kommentarvon ROBIN ALEXANDER
Die Jugend des Unternehmersohns und Aktivisten der Jungen Union erscheint in einem düsteren Licht: Ein verzogener Pubertierender schimpft Schwarze „Bimbos“, Behinderte „Mongos“ und Türken „Kanaken“. Welche Geisteshaltung muss in den Achtzigerjahren in der Jungen Union geherrscht haben, in der solche Sprüche mindestens geduldet wurden, wenn sie nicht zum Umgangston gehörten? Hier haben die Partei-Youngsters die von ihrem Kanzler Helmut Kohl propagierte „geistig-moralische Wende“ vor allem als Gedanken-, Rücksichts- und Skrupellosigkeit ausgelebt.
Dennoch: Die Äußerungen des jugendlichen Steffel hätten mit einem Kopfschütteln hingenommen werden können. Ein echtes Problem aber ist die Art, wie der erwachsene Politiker heute mit den Berichten über seine Sprüche umgeht. Nach einem halben Eingeständnis behauptet er jetzt, „dieses Vokabular“ habe nie zu seinem Wortschatz gehört. Solch sinnloses Leugnen offenbart völlige Ratlosigkeit. Dabei gibt es für ihn nur einen gangbaren Weg: Er muss sich erklären – nicht nur zu seinen Jugendsünden auf der Oberschule, sondern auch zu ausländerfeindlichen Strömungen in der Jungen Union, deren Vorsitzender er bis 1991 war – und zur Zusammenarbeit seines Ortsverbandes mit den „Republikanern“ 1993. Da war Steffel kein Teenie mehr, sondern schon ein 27-jähriger Abgeordneter.
Auch ein Politiker hat das Recht, in seinem Leben Fehler gemacht zu haben. Dann hat er aber auch die Pflicht, dafür die Verantwortung zu übernehmen – und zu erklären, wann er Irrtümer eingesehen und Einsichten gewonnen hat. Tut er dies sofort, nimmt seine Kampagne sicher Schaden – aber er wird den Wahltermin in zwei Monaten noch als Kandidat erleben. Bleibt er jedoch bei Ausflüchten, wird seine Karriere schon vor dem 21. Oktober beendet sein.
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