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„Verlust an Pluralismus“

Die kleinen Produzenten sind durch die Senderfamilien in ihrer Existenz bedroht, das Fernsehen ist völlig „verjaucht“, sagt Producers’-AG-Chef Wachs. Der Trend: Trash-TV

Friedrich-Carl Wachs ist seit September 2000 Geschäftsführer der Producers’ AG, die Beteiligungen vor allem an kleineren und mittleren Produktionsfirmen bündelt.

Die Fronten zwischen Sendern und Produzenten sind klar, bewegen tut sich wenig. Warum?

Ich sehe erhebliche Fortschritte, ohne dass der Weg natürlich schon zu Ende beschritten wäre. Immerhin: Es hat Bewegung gegeben – bei den Öffentlich-Rechtlichen wie den Privaten, den berechtigten Forderungen der Produzenten entgegenzukommen.

Ufa und ARD haben sich bei „Das Quiz“ mit Jörg Pilawa auf ein Malus-Bonus-System geeinigt: Läuft die Sendung besonders gut, bekommt die Produktionsfirma eine Pämie, geht’s schief, gibt’s Abzüge. Das Ei des Kolumbus für die Branche?

Nein. Nicht einmal eine Verbesserung der jetzigen Situation, sonden eher eine Verschlechterung. Wenn zwei-, dreimal ein Programm unverschuldet durchfällt, das Gegenprogramm unerwartet stärker ist, weil zum Beispiel plötzlich Formel 1 oder Fußball läuft, geht den Kleinen – und auch den meisten Mittelständlern – schnell die Puste aus. Das kann für die Produktionswirtschaft nicht das Modell sein.

Haben Sie ein anderes?

Der Sender sollte nicht per se die komplette Produktion mit allen Rechten, sondern eine bestimmte Zahl von Ausstrahlungen abnehmen. Er sollte Kofinanzier eines Produktes sein, was originär vom Produzenten entwickelt, hergestellt und vertrieben wird. Das funktioniert heute schon bei Stefan Raabs „TV total“ von Brainpool: der Sender als Lizenznehmer, nicht mehr als Auftraggeber.

Dann kommt ja noch mehr Arbeit auf die Produzenten zu, weil sie sich auch um den Vertrieb kümmern müssen . . .

Natürlich. Das macht viel Arbeit, und es kostet Geld. Hier bietet dann aber ein Zusammenschluss wie die Producers’ AG sich als Lösung für Einzelfirmen an. Rechte können natürlich auch von Fremdfirmen vertrieben werden. Wichtig ist aber zunächst, dass die Produzenten diese Rechte überhaupt haben. Und das müssen wir gegenüber den Sendern noch durchsetzen.

Sie sagen, kleine Firmen sind zur Kreativitätssicherung im deutschen Fernsehmarkt absolut notwendig. Auf der Babelsberger Produzentenkonferenz haben Sie von den Großen der Branche dafür Prügel bekommen . . .

Meiner Meinung nach zu Unrecht. Denn keiner kann sich vorstellen, wie der deutsche Fernsehmarkt – immerhin der zweitgrößte der Welt – aussehen wird, wenn es nur noch große, graue Konzernfirmen gibt. Natürlich ist Kreativität kein exklusives Gut der kleinen und mittleren Produzenten. Aber die kleinen sind im Moment in einer existenzbedrohenden Situation. Und wenn die Produzenten aus dem Konzentrationsprozess der Sender als Verlierer hervorgehen, dann führt das zu einem bedenklichen Verlust an Pluralismus, den ich mir gar nicht vorstellen möchte.

Nun war bei der jüngsten Telemesse nicht gerade viel von Kreativität zu sehen – weder bei den Kleinen noch den Großen.

Das ist ganz klar ein Moment des Innehaltens. Alle suchen nach dem neuen Trend, analog zur Reality-Welle oder der jetzt grassierenden völligen „Verjauchung“ des Fernsehens mit Quizformaten. Ich glaube, dass das noch eine ganze Weile brauchen wird. Und in dieser Zeit wird eben weiter das produziert – wenn auch unspektakulärer –, was den deutschen Zuschauer seit 50 Jahren am besten unterhält: fiktionales Entertainment.

Und das trotz des bei allen Sendern bestehen Sparzwangs? Gerade Fiction ist doch besonders teuer. Wie soll das denn aussehen?

Ziemlich schräg, glaube ich. Und das ist auch gut so. Was da geboren wird aus Sender-Sparzwang und kostenbewusstem Produzieren – vermutlich ganz überwiegend in Form von Serien –, wird ein ganz trashiges, relativ innovatives Produkt. Wir dürfen also gespannt sein.

INTERVIEW: STEFFEN GRIMBERG

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