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Die Firma Hipp im bayerischen Pfaffenhofen deckt ihren gesamten Energiebedarf aus erneuerbaren Energien. Der Bedarf des Herstellers von Babynahrung ermöglichte den Bau eines Holzkraftwerkes

Sein Firmenwagen, sagt Claus Hipp, „wäre auch zur Zeit Christi“ schon gefahren. Denn den Treibstoff gab es auch damals schon – das Auto fährt mit unbehandeltem Pflanzenöl. Und es ist nicht das einzige: Eine Flotte von vier Dienstfahrzeugen unterschiedlicher Fabrikate tankt stets an der firmeneigenen Zapfsäule des Babynahrungsherstellers.

Auch wenn es um die Produktion geht, setzt die Firma Hipp im bayerischen Pfaffenhofen komplett auf Energieträger, die es vor 2.000 Jahren schon gab, und die es auch in 2.000 Jahren noch geben wird: Der gesamte Betrieb mit seinen 850 Mitarbeitern wird aus erneuerbaren Energiequellen gespeist.

„Wir sind der erste große Lebensmittelproduzent Deutschlands, der die erneuerbaren Energien so konsequent nutzt“, wirbt der 62-jährige Geschäftsführende Gesellschafter Claus Hipp. Der größte Teil der Energie kommt aus einem Holzheizkraftwerk in Pfaffenhofen, das diesen Sommer in Betrieb ging. 6,6 Millionen Kilowattstunden Strom, 7.000 Megawattstunden Warmwasser und 36.000 Megawattstunden Dampf wird die Firma Hipp von nun an jährlich von dem 900 Meter entfernt liegenden Heizwerk beziehen.

Das Heizkraftwerk wird zwar nicht von der Firma Hipp betrieben, doch als größter Wärmekunde hat der Hersteller der berühmten Babygläschen die Anlage erst möglich gemacht. 80.000 Tonnen unbehandeltes Holz werden in dem Werk mit einer Feuerungswärmeleistung von 26,7 Megawatt künftig pro Jahr verbrannt. Mit sechs Megawatt elektrischer Leistung sollen 40 Millionen Kilowattstunden Strom jährlich erzeugt werden. Ferner stehen 120.000 Megawattstunden Wärme zur Verfügung, die über ein Netz von Fernwärmetrassen an bis zu 150 Abnehmer geliefert werden. „Wir haben hier die bestmögliche Kraft-Wärme- und Kraft-Kälte-Kopplung realisiert“, sagt Kraftwerksleiter Herbert Bauer. Auch das Umweltbundesamt lobt das Projekt als „zukunftsweisende kommunale Energieversorgungskonzeption“ und „vorbildliches System der Fernwärmeversorgung“, das „unter Umweltgesichtspunkten sehr zu befürworten“ sei.

Claus Hipp handelt mit seinen Umweltzielen in bester Familientradition. Schon in den 50er-Jahren war Vater Georg Hipp ein Pionier des ökologischen Landbaus, als er erstmals Äpfel und Getreide aus organisch-biologischem Anbau zu Birchermüsli verarbeitete. Inzwischen bauen mehr als 1.000 Bio-Landwirte auf über 15.000 Hektar Land Gemüse und Obst für Hipp an. 76 Prozent aller Rohstoffe, die bei Hipp verarbeitet werden, stammen nach Firmenangaben heute aus ökologischem Landbau. Mit einer Menge von mehr als 25.000 Tonnen Bio-Rohware sei die Firma der „weltweit größte Verarbeiter organisch-biologischer Rohstoffe“, heißt es in der Umwelterklärung des Unternehmens. Somit, rechnet die Firma vor, schütze sie „das 1,6-fache der Fläche der Insel Sylt“ vor Kunstdünger und Pestiziden.

Geschäftsführer Hipp, der das Familienunternehmen im Jahre 1967 übernahm und selbst Landwirt ist, trieb die ökologische Ausrichtung des Betriebes in den Neunzigerjahren konsequent voran. Deshalb wurde er im Jahre 1997 vom WWF Deutschland und der Zeitschrift Capital zum „Ökomanager des Jahres“ gekürt. Ein Jahr später erhielt die Firma Hipp vom Bundesverband der Deutschen Industrie den ersten Preis in der Kategorie „Umweltorientierte Unternehmensführung“, und im Mai 2000 bekam das Unternehmen als einziger Lebensmittelproduzent als eines von nur drei europäischen Unternehmen den „Millennium Business Award for Environmental Achievement“ vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen, der Unep. So entdeckte auch die Bundesregierung das Know-how des Unternehmers aus Oberbayern: Bundeskanzler Gerhard Schröder berief Hipp in den Rat für Nachhaltige Entwicklung.

Alles Engagement kann jedoch nur von Dauer sein, wenn auch die Zahlen stimmen. Und das taten sie bislang immer. So ist Claus Hipp auch für die Zukunft davon überzeugt, dass das Umweltengagement sich finanziell für die Firma rentiert. Der Pflanzenöl-Kraftstoff für die Firmenfahrzeuge rechne sich ohnehin. Und die Energie aus dem Biomasseheizwerk sei zwar noch ein klein wenig teurer als eine konventionelle Versorgung mit fossilen Brennstoffen, doch der Imagegewinn der Firma sei ein deutlicher Wettbewerbsvorteil. „Wie auch der Einsatz biologisch angebauter Rohstoffe wird die Nutzung erneuerbarer Energien von den Kunden positiv bewertet“, weiß Hipp. Auf diese Weise kämen auch gewisse Mehrkosten der Firmenbilanz zugute.

Mit Nachahmern sei zu rechnen, sagt Hipp. Schon beim Thema Ökolandbau seien viele Kritiker und Zauderer später umgeschwenkt und selbst eingestiegen. Dies werde „bei den erneuerbaren Energien genauso kommen“. BERNWARD JANZING

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