Das Taliban-Regime gibt nicht nach

Afghanische Taliban beeindruckt die Bush-Rede nicht. Pakistans Islamisten protestieren weit gehend allein

DELHI taz ■ Die Taliban weigern sich weiterhin, Ussama Bin Laden auszuliefern. Abdul Salam Saif, ihr Botschafter in Pakistan, sagte gestern, seine Auslieferung käme einer Beleidigung des Islam gleich. „Wenn er will, kann er gehen. Wir werden ihn nicht zwingen.“ Spekulationen pakistanischer Zeitungen zufolge könnte Bin Laden Afghanistan schon längst verlassen haben.

Es ist nahe liegend, die Verhärtung der Taliban – nach dem etwas entgegenkommenden Votum des Rats der Religiongsgelehrten vom Vortag – mit der harten Sprache von US-Präsident Bush in Verbindung zu bringen. In seiner Rede hatte er die Forderungen in die Höhe geschraubt, indem er neben der Auslieferung Bin Ladens auch Zugang zu den „Terroristen-Lagern“ für die USA verlangte. Bush ließ keinen Zweifel daran, dass die Taliban ein Terrorregime sind, das kein Existenzrecht mehr hat. Seine Worte kamen der Verkündung eines „amerikanischen Dschihad“ zum Sturz der Taliban gleich.

Dies trifft sich mit Spekulationen, wonach sich die USA bereits Gedanken über eine neue Regierung in Kabul machen. Der britische Guardian zitierte gestern aus einem Papier des US-Außenministeriums, demnach Afghanistan zunächst unter UN-Verwaltung käme, die dann von einer breit abgestützten Regierung abgelöst würde. Kern dieses Plans wäre die Rückkehr von König Zahir Schah, der seit seinem Sturz 1973 im Exil in Rom lebt. Er gilt als von allen Afghanen akzeptierter Mann. Bisher hatte sich der kränkelnde 86-Jährige jedoch immer geweigert, politisch wieder aktiv zu sein.

Die oppositionelle afghanische Nordallianz meldete gestern die Eroberung wichtiger Gebiete im Norden des Landes. Bei den Gefechten seien 180 Kämpfer der Taliban getötet worden.

In Pakistan machten die Islamisten gestern ihre Drohung landesweiter Proteste wahr. Nach dem Freitagsgebet kam es in mehreren Städten zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. In Karachi starben dabei zwei Menschen. Die angekündigten Massenaufläufe blieben jedoch aus. Die wenigen tausend Teilnehmer in Karachi und Peschawar zeigten vielmehr, dass es nicht gelang, breite Bevölkerungsschichten zu mobilisieren. Der Protesttag, der als Volksverdikt gegen die Allianz mit den USA ausgegeben worden war, endete mit einem Sieg für Präsident Pervez Musharraf.

Obwohl Pakistan die afghanische Grenze am Montag schloss, kamen seitdem 15.000 Flüchtlinge ins Land. Das UN-Flüchtlingshilfswerk rechnet bei einem US-Angriff mit weiteren 100.000 bis einer Million Flüchtlingen. Pakistans Flüchtlingsminister schätzt, dass bereits drei Millionen Flüchtlinge in seinem Land sind, dessen Aufnahmekapazität überschritten sei. Er plädiert für die Einrichtung von Lagern auf afghanischem Boden. In Genf appellierte UN-Flüchtlingskommissar Ruud Lubbers an alle Anrainerstaaten, die Grenzen offen zu halten. Er forderte, den Flüchtlingen international den Status „zeitweiligen Schutzes“ zu geben. BERNARD IMHASLY