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„Schill auf die Finger schauen“

■ Auch die Hamburger Medien haben Schill stark gemacht, sagt Professor Hans-Jürgen Kleinsteuber, Medienforscher an der Universität Hamburg, im taz-Interview

taz: Jeder Fünfte wählte in Hamburg Schill. Welchen Anteil haben die Medien daran?

Hans-J. Kleinsteuber: Schill ist nicht zuletzt ein Medienprodukt. Er hat bekanntlich in den vergangenen Jahren immer mal wieder die Medien angerufen, bevor er spektakuläre Urteile gefällt hat. Und er hat sich im Hamburger Bürgerschaftswahlkampf hoher Medien-Aufmerksamkeit erfreut und seine Kampagne mit Parolen geführt, die er aus den Medien bezogen hat. Den Begriff „Gnadenlos“ hat er dann ja auch auf seine Wahlplakate geklebt.

Die DVU kam vor vier Jahren nicht so gut weg und landete bei 4,9 Prozent. Warum haben manche Medien bei Schill so angebissen?

Die Medien sind froh, wenn sie einen medienattraktiven und ausstrahlungsstarken Menschen im Wahlkampf finden. Er hat sich selbst immer auch optisch auffällig präsentiert, etwa wenn er mit Bodyguards auftrat. Das machen sonst ja nur Bundesspitzenpolitiker.

Was sind die größen Gefahren für Journalisten im Umgang mit Populisten?

Erfolgreiche Rechtspopulisten in ganz Europa, ob Haider oder sonst wer, arbeiten sehr medienfixiert. Und die Medien sind dankbar, dass man ihnen Berichtsanlässe und Schlagzeilen liefert, wobei sie das Gesagte oft undifferenziert transportieren. In einer informationsüberfütterten Umgebung braucht man Aufmerksamkeit, um bekannt zu werden. Das hat Schill hervorragend hinbekommen. Sogar negative Publicity hat ihm offensichtlich nicht geschadet.

Gibt es Besonderheiten der Hamburger Presselandschaft?

Natürlich. Es gibt einen hohen Konzentrationsgrad, es fehlt eine Zeitung im politischen Main-stream. Die Hamburger Zeitungen tendieren in der Regel konservativ. Sie waren beteiligt, das Thema der inneren Sicherheit so hoch auf die Agenda zu setzen.

Findet in der Springer-Presse eine neue Politisierung und Ideologisierung statt?

Es ist jetzt zu früh für eine derartige Aussage. Aber es ist auffällig, dass die Medien in der Wahlkampfphase immer wieder Dinge thematisiert haben, die Rot-Grün schwer zu schaffen machten.

Wie wird es weitergehen mit der Medienfigur Schill?

Sie bleibt interessant. Ich habe mir heute morgen seine Homepage im Internet angeguckt: Sie ist fast informationsleer. Vielleicht forschen jetzt doch einige nach, wofür er wirklich steht. Bisher ist total personalisiert worden.

Haben da bei den Journalisten Sicherungen versagt?

Ich bedauere sehr, dass dieser Wahlkampf nicht kommunikationswissenschaftlich begleitet wurde. Man hätte sehr viel intensiver auf die Hinter- und Abgründe dieser Partei eingehen müssen. Wir wählen ja nicht Spitzenpolitiker und Demagogen in die Bürgerschaft, sondern Parlamentarier, die für ein Programm und seine Umsetzung in der Stadt stehen. Darüber habe ich aber wenig gelesen. Da hätten Journalis-ten mehr recherchieren können.

Wie sähe eine Gegenstrategie aus?

Ich hoffe, dass die Schill-Gegner diese eigentümliche Koalition peinlich genau beobachten. Jetzt bedarf es einer konzentrierten und reaktionsschnellen Oppositionsarbeit. Man muss Schill auf die Finger schauen. Und SPD und Grüne werden sich überlegen müssen, mit welchen Politikern sie zukünftig ihre Programmatik vermarkten wollen. Interview: Günter Beling

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