: Ganz normale Mieter
Das Privateigentum rettet die Revolution: Eine Räumung der Roten Flora ist trotz Drohungen des Rechtsblocks juristisch fast unmöglich ■ Von Kai von Appen
„Ich möchte zu einer Befriedung der Situation beitragen und strebe vor allem an, Konflikte nicht politisch zu instrumentralisieren“, sagte der Unternehmer Klaus Kretschmer, als er im März diesen Jahres die Rote Flora von der Stadt kaufte. Doch gerade das möchte der neue Rechtsblock um den desig-nierten Innensenator und Rechtspopulisten Ronald Schill, der das Gebäude am Schulterblatt schon im Wahlkampf als Hort von Kriminalität und Gewalt denunzierte und erst in dieser Woche wieder die Räumung ankündigte. Dabei wissen die Rechtskoalitionäre genau, dass eine Räumung juristisch fast unmöglich ist.
Denn vertraglich ist das Gebäude nach dem Verkauf durch die Stadt ganz ins Eigentum von Kretschmer übergangen. „Das war ein ganz normaler Verkauf“, sagt der Altonaer Bezirksleiter und damalige städtische Verhandlungsführer Uwe Hornauer. Eine Konform-Verhaltensklausel gebe es im Kaufvertrag zwischen Kretschmer und Liegenschaft nicht, im Gegenteil sei das Nut-zungskonzept, so Hornauer zur taz hamburg, „bindend für zehn Jahre festgeschrieben“.
Trotzdem tun der zukünftige Bürgermeister Ole von Beust (CDU) und Schill öffentlich immer noch so, als hätte ihr Senat eine Option, das Projekt juristisch sauber zu beenden. Aber „wenn jemand den Nutzern kündigen kann, dann höchstens Kretmscher“, sagt Rote Flora-Anwalt Andreas Beuth: „Die Stadt hat mietrechtlich überhaupt keine Möglichkeit zu räumen“.
Selbst wenn Kretschmer vom Rechtsblock zur Kündigung gepresst werden sollte, braucht auch er für eine Räumung gerichtliche Räumungstitel – und so etwas dauert, wie die mietrechtliche Auseinandersetzung um die Hafenstraße gezeigt hat. Dass die Rote Flora formal seit über zehn Jahren nur „besetzt“ ist – es also keinen Mietvertrag gibt – macht den Komplex juristisch nicht einfacher. Denn in den Jahren ist mit den BetreiberInnen ein Nutzungsverhältnis erwachsen, das rechtlich (Gewohnheitsrecht) relevant ist. Bei einer Kündigung müssten alle NutzerInnen ausfindig gemacht und einzeln herausgeklagt werden.
Auch eine theoretisch mögliche polizeirechtliche Räumung nach dem „Sicherheits und Ordnungsgesetz“ (SOG) ist nicht so einfach, wie von Beust und Schill – die als Juristen eigentlich die Gesetzeslage kennen sollten – gern verkünden. Da reicht es nicht aus, dass vielleicht mal ein Polizist bei einer Junkie-Kontrolle vor der Roten Flora zum Abhauen genötigt wird oder bei politischen Anlässen auf dem Schulterblatt nahe dem Gebäude Müll als Barrikade brennt.
Schließlich fliegt eine Wohngemeinschaft auch nicht aus ihrem Haus, wenn zwei Mitbewohner mehrmals bei Einbrüchen erwischt werden „Da müssten schon Straftaten wiederholt, nachhaltig und von enormem Ausmaß und erheblicher krimineller Energie von der Roten Flora ausgehen“, erläutert Beuth, „so dass ein Vorwurf wie zum Beispiel der Sitz einer kriminellen Vereinigung konstruiert werden kann.“
Die RotfloristInnen vermuten allerdings, dass Schill der Polizei unter seiner Ägide die Order geben wird, alles zu nutzen, um eine Eskalation und Randale zu provozieren, – nach dem Vorbild des Einsatzes am 1. Mai 2000. Es wird sich zeigen, ob sich Hamburgs Polizeiführer durch ihren wegen Rechtsbeugung angeklagten Innensenator zu rechtswidrigen Aktionen, wie beim Hamburger Kessel 1986, überreden lassen. Die damaligen Einsatzleiter wurden wegen Freiheitsberaubung vom Landgericht Hamburg schuldig gesprochen.
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