: Schreiber nicht ganz still
Am ersten Prozesstag gegen zwei Ex-Thyssen-Manager blockiert die Verteidigung das Verfahren. Waffenhändler Schreiber fehlt zwar, signalisiert aber Aussagebereitschaft
AUGSBURG taz ■ Vor dem Landgericht Augsburg hat gestern der „Schreiber-Prozess“ begonnen – und zwar ohne den Hauptbeschuldigten Karlheinz Schreiber. Der Kauferinger Rüstungslobbyist hat sich schon länger nach Kanada abgesetzt, wo er sich einem Auslieferungsersuchen Deutschlands widersetzt.
Vor Gericht stehen daher nur die beiden ehemaligen Thyssen-Manager Winfried Haastert und Jürgen Maßmann. Sie sollen bei einem gemeinsam mit Schreiber betriebenen Panzergeschäft mit Saudi-Arabien 24,5 Millionen Mark Vermittlungsprovision rechtswidrig abgezweigt haben. Die Ermittlungen im Umfeld Schreibers brachten vor zwei Jahren die Parteispendenaffäre der CDU ins Rollen, die zum Rücktritt des damaligen CDU-Chefs Wolfgang Schäuble führte. Exkanzler Kohl verzichtete schließlich auf seinen CDU-Ehrenvorsitz. Eine Millionenspende Schreibers an die CDU, die er dem damaligen CDU-Steuerberater Horst Weyrauch in Anwesenheit von Exschatzmeister Walther Leisler Kiep in der Schweiz in bar übergeben haben soll, war Auslöser der Affäre.
Im auf 35 Verhandlungstage angesetzten Augsburger Prozess geht es nicht mehr um den Millionenkoffer. Das Verfahren gegen Leisler Kiep ist abgeschlossen. Im Augsburger Prozess geht es um Schmiergelder aus diversen Geschäften, unter anderem für Airbus-Verkäufe, Hubschrauber-Lieferungen und vor allem den Verkauf von ABC-Spürpanzern im März 1991 an das Königreich Saudi-Arabien. 394.122.628 Mark war der „Grenzübergangswert“ alleine beim Fuchs-Spürpanzer-Geschäft. Gut 47 Prozent der Auftragssumme, also 188 Millionen Mark, flossen dabei als „nützliche Aufwendungen“, sprich Schmiergelder. Allerdings soll dies alles vom Finanzamt für Konzernprüfung Düsseldorf II genehmigt worden sein. Das Gros der Schmiergelder, so wird vermutet, ging nach Saudi-Arabien.
Die Rechtsanwälte der beiden Beschuldigten nutzten den ersten Verhandlungstag, um eine Aussetzung des Verfahrens zu erreichen und die Verlesung der Anklageschrift zu verhindern. Sie begründeten dies mit dem Fehlen von Schreiber. Außerdem halten sie Unterlagen aus der Schweiz für unverwertbar und forderten, auf die Verlesung von Anschuldigungen in der Anklageschrift zu verzichten, die mit Steuerdelikten zu tun hätten. Denn die Schweizer Behörden hätten diesbezügliche Unterlagen auf Grund der dortigen Rechtslage gar nicht herausgeben dürfen, sagte Maßmanns Verteidiger Alf Fischer. In keinem Fall aber dürften sie verwendet werden.
Schließlich lehnten die Rechtsanwälte gleich auch noch die gesamte Staatsanwaltschaft im Bezirk des Oberlandesgerichts München und möglicherweise sogar in ganz Bayern als befangen ab. „So einen Antrag habe ich in meiner Zeit als Richter überhaupt noch nicht gehört“, meinte der Vorsitzende Richter Maximilian Hofmeister. Die Anwälte begründeten diesen Antrag mit der Aussage des früheren Augsburger Staatsanwaltes Winfried Maier vor dem Untersuchungsausschuss im Bayerischen Landtag, bei der es um den Vorwurf der Einflussnahme bayerischer Amtsträger auf Ermittlungen im Umfeld Schreibers ging.
Immer wieder tauchte die Frage nach dem Hauptbeschuldigten auf. Ob dieser tatsächlich für die gesamte Dauer des bis April 2002 terminierten Verfahrens fehlen und nicht aussagen wird, ist – entgegen anders lautenden Meldungen – noch längst nicht sicher. „Bislang habe ich noch keine offizielle Anfrage bezüglich meiner Aussage erhalten“, sagte Schreiber zur taz. Dies wurde vom Vorsitzenden Richter Maximilian Hofmeister bestätigt und damit erklärt, dass das Rechtshilfeersuchen vom kanadischen Justizministerium noch immer nicht an Schreiber weitergeleitet wurde. Dabei hat Hofmeister das 55-Fragen-Papier bereits am 19. April diesen Jahres abgesandt.
Schreiber hat derweil eine gewisse Aussagebereitschaft signalisiert, gespickt mit den für ihn typischen Bemerkungen gegen die deutsche Justiz. „Es könnte durchaus denkbar sein, dass man zu der ein oder anderen Geschichte etwas sagt, ... aber es ist schon eine merkwürdige Geschichte, dass ein Beschuldigter dazu helfen soll, ein Verfahren, in dem er beteiligt wird, voran zu bringen.“ Doch wie auch immer er sich entscheidet: Wenn im Laufe der Verfahrens einflussreiche Thyssen-Vorstände zur Praxis von Schmiergeldern bei der Erlangung internationaler Aufträge aussagen sollen, dürfte das öffentliche Interesse auch ohne die Anwesenheit von Schreiber wieder gehörig aufflammen. Zunächst aber war es ein Prozessauftakt wie so oft: geprägt von verfahrenstaktischen Anträgen und Unterbrechungen.
KLAUS WITTMANN
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