piwik no script img

Raketen nach Tempelhof

Bausenator schlägt Erweiterungsfläche für Deutsches Technikmuseum dem Gleisdreieckpark zu. Die Sammlungen für Luftfahrt sollen in den Flughafen Tempelhof. Museum spricht von „Amputation“

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Dem Deutschen Technikmuseum droht die Zerschlagung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will die geplante Erweiterungsfläche des Museums dem zukünftigen Park am Gleisdreieck zuschlagen. Sowohl die große Straßenverkehrssammlung als auch Exponate des Museums für die Raum- und Luftfahrt sollen nach Ansicht von Bausenator Strieder (SPD) in die Hangars des spätestens 2007 geschlossenen Flughafen Tempelhof verlagert werden, der nach dem Ausbau des Airports in Schönefeld ungenutzt wäre. Derzeit lagert das Technikmuseum, mit 26.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche das drittgrößte seiner Art weltweit, zahlreiche Verkehrsexponate in einem Depot auf dem Gleisdreieckgelände. Zusätzlich zum 2001 fertig gestellten 140 Millionen Mark teuren Erweiterungsbau am Landwehrkanal war vorgesehen, dort das Museum einmal mit gläsernen Hallen auf 50.000 Quadratmeter auszubauen.

Offziell wird der Strieder-Vorstoß zwar erst nach Bildung der neuen Landesregierung. In der Bauverwaltung ist aber heute bereits beschlossene Sache, „dass die Museumsfläche zum Park wird“, sagte Strieders Sprecherin Petra Reetz. Zum einen sei das vom Deutschen Technikmuseum beanspruchte Areal „im Flächennutzungsplan nie als Museumsfläche ausgewiesen gewesen“. Zum anderen liege der Vertrag mit der Bahntocher Vivico unterschriftsreif in der Schublade und beinhalte, dass dort „definitiv“ ein Grünraum als Bestandteil des Gleisdreieckparks gestaltet werde.

Außerdem, sagte Reetz, sei klar, dass weder das Land noch das Museum selbst über Investitionsmittel für einen dritten Museumsbau verfügten. Zugleich eigne sich der Flughafen Tempelhof in „besonderer Weise“ für die Luftfahrtsammlung. Reetz: „Das Flughafengebäude wird über kurz oder lang leer stehen. Die Stadt braucht dort wieder eine Nutzung.“ Strieder sei der Überzeugung, dass sich die Exponate an dem „berühmten Platz der Berliner Luftfahrtgeschichte“ ideal ausstellen ließen und zum Besuchermagneten avancierten.

Hintergrund des Vorschlags sind die abgeschlossenen Verhandlungen über die Parkgestaltung und Bebauung des Gleisdreiecks mit der Bahnflächen-Verwertungs-Gesellschaft Vivico. Als Ausgleich für die Bebauungen auf dem Potsdamer Platz kann das Land Berlin auf dem früheren Bahngelände am Gleisdreieck zwar einen rund 22 Hektar großen Park errichten. Die Vivico erhält im Gegenzug Bauflächen am Rand – darunter die 300 Meter lange historische Ladestraße – zur Verwertung für Wohnungen und Bürogebäude.

Während das Museum und die Bürgerinititive „AG Gleisdreieck“ immer darauf drängten, dass die Ladestraße erhalten, begrünt und museal genutzt wird, soll diese nun abgerissen und bebaut werden. Dafür muss das Museum seine Erweiterungsfläche dem Park zuschlagen.

Maria Borgmann vom Deutschen Technikmuseum sprach gestern von einem „schweren Einschnitt in das Konzept und die Zukunft des Museums“, sollte Strieder den Vertrag nach der Senatsbildung unterschreiben und sich mit seinen Plänen durchsetzen. Das Museum werde durch eine Dependance in Tempelhof „total amputiert“. Es sei nicht hinzunehmen, dass die Luftfahrtsammlung und die Fahrzeuge an einen anderen Ort verbracht würden. Borgmann räumte allerdings ein, dass für die Erweiterung der Luft-und Raumfahrtsammlung neue Räume bereitgestellt werden müssten. Die 2001 fertig gestellten Räume, die 2002 eröffnet werden, reichten gerade aus, die vorhandenen Exponate zu präsentieren. Derzeit besuchen das Deutsche Technikmuseum mit seinen physikalischen Sammlungen, den alten Lokschuppen, V 2-Raketen und seiner Darstellung zur Computerentwicklung rund 350.000 Besucher jährlich.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen