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Kein Hörrohr für die Wickelfrau

„Dem Hebammenwissen auf der Spur“: Im Medizinhistorischen Museum der Charité kann man den Kampf zwischen Hebamme und Arzt verfolgen

Als die ledige Tochter eines Brauereibesitzers in der Entbindungsanstalt war, kam durch eine Nebentür plötzlich eine Gruppe Medizinstudenten in ihr Zimmer. Die junge Frau packte voll Scham ihren Mantel und floh. Doch die Polizei nahm sie fest, und man verurteilte die Unglückliche zu einer Haftstrafe. „Eine herzzerreißende Geschichte“, sagt die Medizinhistorikerin Christine Loytved, die durch die von ihr konzipierte Ausstellung zur Geschichte der Geburtshilfe führt.

Die Hörsaalruine im Medizinhistorischen Museum der Charité ist ein karger Ort mit geschwärzten Backsteinmauern und gerade passend für die Abbildungen der ersten geburtshilflichen Instrumente: scharfe und spitze Haken mit breitem Griff, die mehr an Schlächter- denn an Geburtshilfewerkzeug erinnern. Tatsächlich wurden die Haken nur dann benutzt, wenn ein totes Kind aus dem Mutterleib gezogen werden musste. In Welschs Übersetzung von Mercurios Hebammenbuch aus dem Jahr 1653 heißt es dazu: „Liegt aber das [tote] Kind mit dem Kopfe voran, muss die Kindermutter hierzu gewissen Hacken [. . .] gebrauchen und dieselben entweder in des Kindes Augengruben, oder in die Ohren, oder in das Kinn häckeln und es also herauszubringen.“

Welsch gestand den Hebammen noch zu, selbst chirurgische Instrumente zu benutzen, aber das sollte sich bald ändern. Als Mitte des 18. Jahrhunderts das Interesse der akademisch ausgebildeten Ärzte an der Geburtshilfe erwachte, begann die Konkurrenz zwischen Hebamme und Arzt.

„Ich wollte den Konflikt zwischen den jungen Doktoren zeigen, die mehr über Theorie als über praktische Geburtshilfe wussten, und den meist älteren Hebammen“, sagt Ausstellungsmacherin Loytved. Dabei ist sie zweifellos parteiisch. Die Ausstellung zeigt viel vom Wissen der Hebammen, leider meist nur in Form reproduzierter Kupferstiche: kleine Kräutertiegel mit wehenfördenden Mitteln, Rezeptsammlungen und Bilder der morgenländisch anmutenden Gefäße für Räucherungen. Viele dieser Gemische aus Bisam, Ambra oder Zibet, einem Düsensekret der Zibetkatze, waren allerdings nur für wohlhabende Wöchnerinnen erschwinglich.

Räuchermittel, Dampfbäder und Klistierspritzen blieben weiterhin Domäne der Hebammen. Aber die Anwendung der neuen chirurgischen Instrumente war den Ärzten vorbehalten. Die Geburtshelferinnen durften das Hörrohr, mit dem die Herztöne des Kindes abgehört werden konnten, nicht benutzen. Auch die Geburtszangen, mit denen man versuchen konnte, lebende Kinder auf dem Mutterleib zu ziehen, hüteten die Ärzte eifersüchtig. In den Geburtsanstalten, die vor allem ledige Mütter und Prostituierte aufsuchten, hatten sie nun die Gelegenheit, praktisches Wissen zu erwerben. „Die Frauen waren offenkundig Übungsmaterial“ sagt Christine Loytved.

Das Jahr 1751 brachte einen großen Einschnitt für die Hebammen. War zuvor das Wissen mündlich an die Schülerinnen, Wickelfrauen genannt, weitergeben worden, sollte der Unterricht nun staatlich geregelt werden. Denn dem preußischen Staat, der immer mehr Soldaten brauchte, starben zu viele Kinder. Am 27. Februar begann die staatliche Hebammenschule an der Charité ihren Unterricht. 23 Hebammen wurden unter Androhung von Strafe verpflichtet, anatomische und geburtshilfliche Vorträge zu besuchen. Trotz staatlicher Aufsicht blieb sich dabei eines gleich: Noch bis in die Fünfzigerjahre unseres Jahrhunderts brachten die meisten Frauen ihre Kinder zu Hause zur Welt. Erst dann wurde die Klinikgeburt Normalität – und die Geburt geriet endgültig unter die Kontrolle der Ärzte.

Die Ausstellung „Dem Hebammenwissen auf der Spur. Zur Geschichte der Geburtshilfe“ ist bis zum 9. Dezember im Medizinhistorischen Museum der Charité, Schumannstr. 20/21, zu sehen. Di.–So., 10–17 und Mi. 10–19 Uhr.

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