Kommentar: Geltende Lehren
■ Warum der Tod eines Menschen nicht mit beiläufiger Inhumanität hinzunehmen ist
Achidi J. ist tot. Die Ursache für seinen Tod ist weiterhin ungeklärt. Gesichert ist lediglich, dass er gewaltsam ums Leben kam.
Juristisch gesehen wurde er nicht Opfer eines Mordes, womöglich nicht einmal Opfer vorsätzlicher Körperverletzung mit Todesfolge. Fahrlässigkeit jedoch darf und muss allemal unterstellt werden.
Offensichtlich ist, dass der Tod eines Menschen billigend in Kauf genommen wurde. Eines Menschen, der im durchaus begründeten Verdacht stand, eine Straftat begangen zu haben und zudem schwarzer Hautfarbe war. Verhalten und Äußerungen mehrerer Schill-Abgeordneter bei der Bürgerschaftsdebatte am Mittwoch lassen keinen Zweifel daran, dass für sie beides von Bedeutung ist bei ihrer Bewertung des Falles.
Ein solche Sichtweise ist mit rechtsstaatlichen Prinzipien nicht vereinbar, sie widerspricht den Grundsätzen demokratischen Denkens, sie ist in ihrem Kern inhuman und in ihrer immanenten Logik letztlich – und dieser Begriff ist mit Bedacht gewählt – faschistoid.
Der Versuch der Sicherstellung von Beweismitteln für juristische Zwecke muss vor der Anwendung von Zwangsmitteln enden, die körperliche Qualen des Verdächtigen zur Folge hätten. Die Suche nach Beweisen darf nicht zur beiläufig verhängten Strafe werden.
Dieses Land bedient sich, seit es sich demokratisch nennt, nicht mehr der Folter, dieses Land hat die Todesstrafe geächtet: Zwei Lehren aus einer leidvollen Geschichte.
Sie müssen weiterhin gelten.
Sven-Michael Veit
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