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rot-rot regiert berlinTotal normal

Nach 1989 geschah etwas Unerwartetes. Die staatssozialistischen Zwangsregime waren gestürzt – doch nur drei, vier Jahre später saßen Postkommunisten im Baltikum und in Polen wieder in der Regierung. Diese sanfte Integration der Exdiktatoren in die Demokratie wäre ohne Gorbatschow, ohne den unblutigen, freiwilligen Machtverzicht des Apparates unmöglich gewesen. Auch in Westeuropa wurden aus manchen KPs brave Sozialdemokraten. Normalisierung, wohin man schaute. Nur in Deutschland hielt man in eiserner Wehmut daran fest, die PDS als inneren Feind zu betrachten.

von STEFAN REINECKE

Dafür gab es ein paar mehr oder weniger gute historische Gründe. Heute ist das anders. SPD und PDS haben in Berlin im Sauseschritt ihre Koalitionsverhandlungen absolviert. So schnell und reibungslos geht es nur, wenn Sozialdemokraten unter sich sind. Die SPD hat sich erwartungsgemäß durchgesetzt: Der Flughafen Schönefeld soll gebaut werden, es wird etwas mehr gespart als die PDS wollte. In der Olympiafrage hat die SPD eingesehen: Es ist Unfug, Geld, das man nicht hat, für Spiele auszugeben, die man nicht kriegt.

Es geht alles seinen Gang: undramatisch und nüchtern. Die PDS folgt der SPD lautlos – über ihre Biegsamkeit wird man sich wohl noch öfters wundern. Die unvermeidliche Schlacht mit den Gewerkschaften wurde zwar erst mal vertagt, doch am rot-roten Sparwillen ist kaum zu zweifeln. In Berliner Zeitungen erklingt die routinierte Klage, dass der Regierung Visionen fehlen: Nur sparen – das reicht nicht. Genau den gleichen Vorwurf machte man schon der großen Koalition. Sinnfälliger lässt sich die Normalisierung von Rot-Rot kaum beschreiben. Abgesehen davon wird es Berlin ganz gut tun, mal ohne Visionen zu leben.

In Berlin regiert graumäusiger Alltag. Und genau dies kennzeichnet eine fundamentale Verschiebung: den Wandel der PDS zu einer normalen Partei. In die gleiche Richtung weist, wenn die PDS-Spitze sich zaghaft mit einem UN-Einsatz in Kabul anfreundet. Dass Postkommunisten in Berlin mitregieren, ist eine europäische Normalisierung – und das symbolische Ende eines deutschen Sonderwegs.

Die Union hingegen will 2002 wieder ungerührt mit Anti-Rot-Rot-Agitation punkten. Das wird nicht so einfach. Auch Propaganda braucht Anknüpfungspunkte im Wirklichen. 2002 wird ein Test für die Lernfähigkeit – der Union, weniger der PDS. Den CDU-Bürgermeister in Berlin-Mitte haben übrigens die Postkommunisten mit in sein Amt gewählt.

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