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Intellektueller Parteisoldat

Ist er ein Verhinderer, dritte Wahl oder tatsächlich ein Kultursenator? Mit der Nominierung von Thomas Flierl wirkt die PDS eher ins eigene Milieu, als dass sie sich auf den Weg nach Westen begibt

von UWE RADA

Nein, sie lassen kein gutes Haar an ihm. „Wer ist Thomas Flierl?“ fragt der Tagesspiegel bei den Uni-Präsidenten nach – die Antwort: „Flierl? Nie gehört.“ Und die FAZ erinnert an seine Zeit als Baustadtrat von Mitte, soll heißen: sein nachhaltiges Image als „Verhinderer“. Anders als andere Neueinsteiger im Berliner Senat, denen in den vergangenen Jahren immer wieder Vorschusslorbeeren zuteil wurden, hat der designierte PDS- Kultursenator Thomas Flierl von Anfang an gegen ein Negativimage zu kämpfen. Keine guten Voraussetzungen für die Verhandlungen mit Kulturstaatssekretär Julian Nida-Rümelin um mehr Geld vom Bund, dessen die Berliner Kultur so sehr bedarf.

Dass Thomas Flierl weniger mit frischem Wind, den die Berliner Politik tatsächlich nötig hat, in Verbindung gebracht wird als vielmehr mit dem Bild eines treuen, wenn auch kritischen PDS-Funktionärs, liegt allerdings weniger in seiner DDR- als vielmehr in seiner Nachwendebiografie. Noch 1985 war der promovierte Kulturwissenschaftler vom Lehrstuhl der Philosophischen Fakultät der Humboldt-Uni geflogen, weil er sich kritisch gegen den Abriss der Gasometer in Prenzlauer Berg geäußert hatte. Die industriellen Denkmale mussten damals weg, um den Blick auf das Thälmann-Denkmals von Lew Kerbel von der Protokollstecke Greifswalder Straße aus nicht zu stören.

Doch nach der Wende zeigte sich Thomas Flierl auch von einer anderen Seite. Als er 1995 seinen Job als Leiter des Kulturamts Prenzlauer Berg abgeben musste, begann seine Karriere als Politiker. Als PDS-Politiker. Dass er sein Parteibuch 1990 wegen der „Reformunfähigkeit“ der Partei abgegeben hatte, spielte dabei keine Rolle. Flierl kehrte in den Schoß der Partei zurück, zuerst als parteiloser Abgeordneter und kulturpolitischer Sprecher der Abgeordnetenhausfraktion. Später dann, nach dem Kosovokrieg 1999, auch wieder als zahlendes Mitglied. Es ist ein ambivalentes Verhältnis, das den kritischen Intellektuellen Flierl seitdem mit den Postkommunisten verbindet. Zum einen trieb er als Reformer die historische Aufarbeitung der SED-Zeit voran, als Funktionär stellte er sich dagegen nie gegen seine Genossen. Als Machtmensch hat er schließlich jenen Instinkt, der nötig ist, um zu wissen, was einem nutzt und was schadet.

Das hartnäckigste Attribut, das der 44-Jährige mit sich herumschleppen muss, ist freilich das des „Verhinderers“. Gerade in Zeiten, in denen die PDS sich anschickt, den Beweis ihrer Regierungsfähigkeit auch auf Hauptstadtterrain anzutreten, lassen sich die vermeintlichen Beweise von Investorenfeindlichkeit vom politischen Gegner umso genüsslicher aufzählen. Den Touristenballon am Potsdamer Platz wollte Flierl nicht haben, nicht die Telekom-Werbung am Brandenburger Tor und auch nicht die Kommerzialisierung der Silvesterfeiern am Pariser Platz. Wenn dies jedoch Kriterien für Investorenfeindlichkeit sind, so wären andere wie etwa der poltrige und unberechenbare Senatsbaudirektor Hans Stimmann weitaus größere Investorenschrecks.

Flierl dagegen ist weitaus berechenbarer, als viele meinen. Nicht die Verhinderung von millionenschweren Bauvorhaben hat er sich in seinen Jahren als Baustadtrat im Bezirk Mitte von 1998 bis 2000 auf die Fahnen geschrieben, sondern die Lesbarkeit des städtischen Raumes als Ort der Öffentlichkeit, an dem private Werbecodes, „Brandscapes“, als Chiffren der Privatisierung nichts zu suchen haben. Er selbst nannte das: „Die politische Debatte um die Deutungsmacht der Innenstadt nicht aufgeben.“

Aber auch aus einem anderen, eher psychologischen Zug, ist das Stigma des Neinsagers wenig zutreffend. Flierl ist einer, der viel zu sehr nach Anerkennung und Bestätigung sucht, als dass er sich in die Ecke des trotzigen Lümmels stellen ließe. So trat er 1998 das Amt als Baustadtrat in Mitte an, obwohl im das dortige Parteimilieu mit seinen ehemaligen SED-Gefolgsleuten und Kadern kulturell fremd bis feindlich war. Und auch als Baustadtrat hat er, anders als seine Vorgängerein Karin Baumert, zu keiner Zeit Fundamentalopposition gegen Stadtentwicklungssenator Peter Strieder (SPD) betrieben. Im Gegenteil. Ein ums andre Mal hat er Gesprächs- und Verhandlungsbereitschaft signalisiert, hat gedealt und laviert, nur um sich als Akteur nicht ins politische Abseits stellen zu lassen. Auch hier mag wieder der Wunsch nach Anerkennung mit im Spiel gewesen sein. Und in der Tat: So oft Strieder auch öffentlich Flierl widersprochen hat, so oft haben sie – hinter den Kulissen – dennoch am gleichen Strang gezogen. Schließlich trafen hier zwei Parteisoldaten aufeinander, die ihr Handeln im Dienst der Partei nur hinter jeweils anderen Images zu verbergen versuchen – der eine hinter dem Selbstbild als Modernisierer, der andere mit intellektuellem Marschgepäck.

Nun ist Thomas Flierl, obwohl er viel lieber das Stadtentwicklungsressort übernommen hätte, Kultursenator. Nicht weil sich diese Besetzung tatsächlich angeboten hätte, sondern wiederum im Dienst der Partei. Nur dass er diesmal nicht gebeten werden musste, wie bei seinem Job als Baustadtrat, sondern weil kein anderer mehr zur Debatte stand. Ob ihm diese Art der Anerkennung allerdings zum Vorteil gereichen wird, ist fraglich. Schließlich schweben über dem frisch gebackenen Wächter über die Berliner Theater und Hochschulen nicht nur die Schatten seiner Vorgängerinnen und Vorgänger, sondern auch die jener PDS-Größen wie Gregor Gysi und Lothar Bisky, die sich schließlich anders entschieden.

Thomas Flierl, der vermeintliche Verhinderer, muss nun in kürzester Zeit ein Gewinner werden. Für die Berliner Kultur und für seine Partei, deren Senatoren ebenfalls als „Leuchttürme“ in Richtung Westen strahlen sollen. Schließlich weiß auch Flierls Mentor Gregor Gysi, dass man exekutive Ausfälle bei der PDS mit anderen Maßstäben messen wird als bei anderen Parteien.

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