: Aus dem Land der „gewissen Bevorzugungen“
Der strauchelnde Konzern ist ein bayerisches Gewächs: Kirch profitierte von der liberalen Standortpolitik des Landesfürsten
BERLIN taz ■ Die bayerische Medienpolitik hat ein Gesicht: „In allen Fragen nimmt Edmund Stoiber Stellung“ – beschied schon 1988 der Strauß-Sohn Franz Georg Nachfragen des Spiegels zu seinem Engagement beim damaligen Lokalsender „tv weiß-blau“. Und Stoiber, seit Oktober 1982 Chef der Münchner Staatskanzlei, wusste, was zu tun war: Beim damals noch zuständigen Bundespostminister in Bonn versuchte er, zusätzliche Sendefrequenzen für den finanziell angeschlagenen Kanal des Ministerpräsidentenfilius herauszukitzeln. Auch für Sat.1 bemühte sich Stoiber um den so wichtigen Empfang perAntenne. Schließlich sollte der seit 1984 bestehende Sender zum Sitz des heutigen Sat.1-Hauptgesellschafters gelockt werden – zu Leo Kirch.
Sat.1 in München blieb zwar ein Wunschtraum, doch in den Folgejahren wuchs auf den kahlen Äckern um die nahe der Landeshauptstadt gelegenen Dörfer Ismaning und Unterföhring Kirchs Medienkonzern: ProSieben und Kabel 1 nebst zugehörigen Studios, später kamen weitere Sender und Produktionsfirmen hinzu. Selbst wenn zwischendurch einmal versucht wurde, die Sat.1-Konkurrenz RTL ebenfalls nach München zu locken, war das mit Kirch abgesprochen: „Kein Gespräch mit RTL oder Bertelsmann ist ohne diesbezügliche Information geführt worden“, zitierte seinerzeit der Spiegel aus einem Stoiber-Schreiben, auf „größtmöglichen Konsens“ und „eine gewisse Bevorzugung von Sat.1“ werde geachtet.
1993 wurde der Staatskanzlist Ministerpräsident – Medienpolitik war nunmehr Chefsache. Kirch profitierte zunächst vor allem von Stoibers Dauereinsatz für die Liberalisierung der Medienmärkte, die den Aufbau seiner heutigen Senderfamilie erst ermöglichten.
Finanziell waren der Freistaat und sein Medienunternehmer da längst eng verbandelt: Schon der erste Programmdeal mit dem eben gegründeten ZDF, so Kirch-Biograf Michael Radtke, wurde 1963 über die Bayerischen Staatsbank abgewickelt. In den Siebzigerjahren war die halbstaatliche Bank, in deren Verwaltungsrat auch heute noch das halbe bayerische Kabinett sitzt, an diversen Kirch-Krediten beteiligt. Als ab Mitte der Neunziger explodierende Sportrechtekosten und das Abenteuer Pay-TV Milliardenlöcher in die Kirch-Finanzen rissen, war die Landesbank auch unter Stoiber stets dienstbereit. – Zu Konditionen, die von Kirchs Konkurrenz stets beargwöhnt, wegen des Bankgeheimnisses aber nie offen gelegt wurden. Einzig 1997 kam es zum Krach: 500 Millionen Mark wollte die eigentlich für Mittelstandsförderung zuständige bayerische Landesanstalt für Aufbaufinanzierung (LfA) zu einem neuen Kirch-Kredit beisteuern.
Doch die „Amigo“-Vorwürfe wurden diesmal zu laut: Noch bevor Stoiber selbst handeln musste, verzichtete Kirch „wegen der unsachlichen öffentlichen Diskussion“ auf die LfA-Gelder. Und beteuerte, mit Ausnahme eines 4.600-Mark-Studentendarlehens, niemals staatliche Beihilfen oder Subventionen erhalten zu haben. STG
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